Wo Bedrohungen unabsehbar werden, ist Flexibilität gefragt.
Zurück zu Ihrem Haus am Strand: Brauchen Sie jetzt eine bessere Versicherung, sollten Sie stabiler bauen oder vielleicht doch einen Möbelwagen bestellen? Am besten alles drei auf einmal. Denn wo Bedrohungen unabsehbar werden, ist Flexibilität gefragt. Nur wer agil denkt und vorausplant, statt starr an einen Ort gebunden zu sein, wird sowohl den Hurricane überleben als auch schnell zur Stelle sein, wenn es nur die Nachbarstadt über den Haufen gepustet hat (– die jetzt günstige Grundstücke bietet und Aufbauhilfe braucht).
Die Zeit der Fünfjahrespläne ist vorbei
So flexibel zu sein, fällt vor allem großen Unternehmen schwer. Die stürmische Kraft der Digitalisierung sorgt dafür, dass sich Unternehmen immer kürzer an der Spitze halten können. Wie der Innosight Corporate Longevity Forecast 2018 zeigt, konnten sich börsennotierte Firmen in den 1960er Jahren durchschnittlich 33 Jahre im Aktienindex S&P 500 halten. 2016 lag der Wert nur noch bei 24 Jahren. Bis 2027 soll die Lebensspanne der Fortune 500-Unternehmen dann auf zwölf Jahre zusammen schmelzen.
Wer hätte im Jahr 2000 gedacht, dass Internetplattformen wie HRS oder Check24 die Preise für Hotels und Mietwagen diktieren würden? Dass Start-ups aus dem Silicon Valley die deutsche Automobilindustrie beim Thema Autonomes Fahren unter Druck setzen? Oder dass Airbnb binnen vier Jahren ein genauso großes Angebot haben konnte wie die weltgrößte Hotelkette nach 93 Jahren? Ganz gleich, ob Tesla, Zalando oder Delivery Hero – die neuen Helden kommen ursprünglich nie aus der Branche, in der sie urplötzlich die Führung übernommen haben.
Es ist noch nicht lange her, dass Unternehmen Zehnjahresstrategien entwarfen. Solche Pläne halten inzwischen keine drei Jahre mehr stand. Heute geht es um sichtbare Ergebnisse innerhalb eines Jahres. Und die einzige Methode, die eine solche ergebnisorientierte Geschwindigkeit liefern kann, heißt Agilität. Ich nenne es das Florida-Prinzip: Nur wer den Sturm vorhersieht, der wird ihn überstehen.
Agile Unternehmen blieben immerzu in Bewegung. Indem sie sich vorausschauend auf Unsicherheiten einlassen, Szenarien durchspielen und Handlungsoptionen erarbeiten, erfinden sie sich laufend aufs Neue. Dadurch können sie auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette blitzschnell auf einschneidende Veränderungen reagieren. Ich nenne es das Florida-Prinzip: Nur wer den Sturm vorhersieht, wird ihn überstehen. Es ist das genaue Gegenteil des althergebrachten Sankt-Florian-Prinzips („Verschon mein Haus – zünd and‘re an!“), das englischsprachig als „Nimby“ bekannt ist: „Not in my backyard“. Hurricanes lassen sich jedoch nicht von Lattenzäunen aufhalten.
Lösungen für agiles Management
Die Lösungen für agiles, vorausschauendes Management existieren schon heute. Da sie neues Wissen benötigen und sich vor allem in großen Organisationen oftmals nicht einfach umsetzen lassen, setzen wir bei EY auf Kooperationen. Mit der Frankfurter Firma Arago können wir den IT-Betrieb eines Unternehmens komplett durch eine KI betreuen lassen, mit SAP verbindet uns eine globale Allianz. Weil ihre ERP-Software neue Technologien wie Blockchain, Machine Learning oder robotische Prozessautomatisierung integrieren kann, ist SAP S/4HANA die ideale Plattform für die digitale Transformation großer Unternehmen.
Ein Beispiel hierfür ist die automatisierte Bestandserfassung: Wo bei einem unserer Kunden früher ein Dutzend Mitarbeiter mit dem Gabelstapler mühsam Regal für Regal durchprüfen mussten, machen heute Drohen die Inventur und liefern ihre Daten an eine Cloud-Plattform, wo sie ausgewertet werden.
Um neue Methoden schnell umzusetzen und zu verbessern, bieten wir Unternehmen Formate wie den mobilen EY Hackathon oder die weltweiten EY Wavespace-Innovationszentren, in denen Teams multidisziplinärer Spezialisten disruptive Innovationen mit Kunden erarbeiten.
Agilität bei der Produktentwicklung
74 %der deutschen Industrieunternehmen halten Agilität bei der Produktentwicklung für wichtig – aber nur 43 Prozent nutzen agile Methoden wie Scrum.
Das „Aufladen“ der eigenen Mitarbeiter mit Innovationsansätzen ist möglich. Nicht nur durch Trainings, sondern durch die Einführung agiler Kreativitätsmethoden wie Scrum oder Design Thinking im Unternehmen. Wenn dann auch noch Ideen von Mitarbeitern aus dem mittleren Management schnell als Prototyp getestet werden, sind wir da, wo wir hinwollen: weniger Powerpoint, mehr Technologie.
Solche Umbrüche können schmerzhaft sein. Deshalb verschanzen sich Unternehmenslenker noch immer zu oft hinter ihrem Lattenzaun – wohl wissend, dass jede stärkere Böe sie hinwegfegen kann. Eine Studie des Digitalverbands Bitkom unter 505 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen zeigt, dass zwar 74 Prozent der Firmen Agilität bei der Produktentwicklung für wichtig halten – aber nur 43 Prozent agile Methoden wie Scrum nutzen. Weniger als ein Drittel nutzen Big Data-Analytics, nur gut ein Viertel 3D Druck und weniger als ein Fünftel Robotik.
Eine andere, weltweite Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen: 73 Prozent der befragten Projektmanager und Führungskräfte gaben an, agile Methoden zu nutzen, zwei Prozent mehr als 2017. Die mehr als 5.000 vom Projektmanagementverband PMI befragten Anwender gaben aber auch an, im Vorjahr nur 46% aller Projekte mit (zumindest teilweise) agilen Methoden abgeschlossen zu haben.
Wie der aktuellste, dreizehnte „State of Agile“-Report zeigt, ist das größte Hindernis eine Unternehmenskultur, die agilen Werten entgegensteht. In dem von dem Softwareunternehmen CollabNet VersionOne erstellten Report konstatiert eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent der Befragten zudem, dass die agilen Kompetenzen ihres Unternehmens noch nicht stark ausgeprägt sind. Interne Coaches, Unterstützung durch das Management und Inhouse-Schulungen gelten als die Top-3-Rezepte, um dies zu verbessern.
Purpose als Leitbild in unsicheren Zeiten
Die Widerstände durch eine traditionelle Unternehmenskultur zeigen: Manager stehen heute unter enormem Druck. Entweder werden sie zu kreativen Zerstörern – oder werden selbst zerstört. Deshalb brauchen sie einen Kompass in schwerer See. Je agiler sie führen, je mehr Verantwortung sie abgeben können, desto wichtiger wird es für Chefs wie Mitarbeiter zu wissen, wohin die Reise geht. Wenn sich Wege und Methoden ständig ändern, braucht es einen übergeordneten Zweck, ein „Warum?“. Wir nennen das Purpose: Was ist die eigentliche, nicht-finanzielle Bestimmung eines Unternehmens? Was braucht, was erwartet die Welt von ihm?
Durch die Arbeit des EY Beacon Institute wissen wir, dass ein klarer Purpose einer Organisation hilft, nachhaltig zu wachsen. Junge Talente der Generation Z sind ohne einen solchen Purpose kaum mehr zu bekommen, geschweige denn zu halten. Unsere Untersuchungen unter Firmenlenkern haben gezeigt, dass angesichts kommender Hurricanes zwei Drittel der befragten Manager Ziel und Zweck ihrer Arbeit schon heute überdenken. Purpose hilft als Leitbild in stürmischen Zeiten, motiviert zu langfristigem Denken und vereinfacht das Tagesgeschäft. Und schafft damit einen Masterplan für Morgen.
Nur wer den Sturm vorhersieht, wird ihn überstehen. Manager, die nicht nur wissen, wie sie handeln sondern auch warum, werden auch 2050 noch ein Haus am Strand haben. Selbst wenn es dann nicht mehr in Miami steht, sondern in Mumbai oder Macao. Oder auf dem Mars.
Fazit
Ein Lattenzaun hält keinen Hurricane ab, und dennoch ducken sich viele Manager hinter ihm, um sich der Herausforderung nicht stellen zu müssen. Doch nur wer dem Sturm des Wandels entgegentritt, ihn besser noch vorhersieht, kann ihn unbeschadet überleben: Das ist das Florida-Prinzip. Die technischen Voraussetzungen sind da. Was es braucht, sind Mut und Agilität, sie für das Unternehmen zu nutzen.