Wie gehen Sie in Ihrer aktuellen Rolle mit dieser Art von Konflikt um?
Aktuell arbeite ich in einer Doppelrolle. Ich bin einerseits als CFO für Merck in Dubai für die Finanzen der Legal-Einheit verantwortlich und muss ihre Risiken nach Darmstadt berichten. Anderseits stehe ich in regionaler Schnittstellenverantwortung für den Nahen Osten, Afrika und Osteuropa und erhebe mit den Länderverantwortlichen die spezifischen Risiken vor Ort. Was mir hilft, ist sicherlich die Tatsache, dass ich vor meinem Job in Dubai in unserer Zentrale tätig war. Hier war ich als Head of Group Risk Management am zentralen Aufbau des globalen Risk-Managements mitverantwortlich. Dadurch habe ich nun Verständnis für beide Seiten, wenn Sie so wollen. Das hilft.
Das klingt nach einem Argument für Job Rotation.
Job Rotation ist in einem globalen Unternehmen immer von Vorteil. Ich finde, im modernen Risikomanagement geht es maßgeblich um Verständnis. Verständnis für das Geschäft, für Prozesse, für Menschen, aber auch für Kulturen. Dafür, wie es vor Ort ausschaut, was die spezifischen Begebenheiten, Herausforderungen oder auch Fallstricke sind. Wirklich effektiv lässt sich das alles nur bewerten und behandeln, wenn man die richtigen Kontakte aufgebaut und einen guten Überblick über das Unternehmen hat.
Wie sehen Risikomanagement und Governance für Sie im Alltag aus?
Sehr dialogintensiv. Ich spreche mit den lokal Verantwortlichen, mit unserer Führung hier vor Ort, meinem eigenen Team, dem Vertrieb hier in den Golfstaaten und im Nahen Osten über einzelne Vorhaben oder auch mit der Zentrale in Darmstadt über globale Vorgaben. Manche Tage verbringe ich von morgens bis abends in Videokonferenzen.
Das ist bestimmt auch sehr ermüdend, oder?
Natürlich ist das anstrengend. Aber der Austausch in diesen Meetings ist essenziell, um auf Flughöhe zu bleiben. Es ist gar nicht möglich, alles im Detail zu durchdringen oder sich durch das Lesen von Berichten anzueignen, welche Risiken wirklich gerade priorisiert werden müssen. Umso wichtiger sind die Schilderungen der Menschen vor Ort. Ich selbst muss in meiner Funktion nicht nur Themen aus der Region nach oben transportieren, sondern auch im ständigen Austausch mit den örtlichen Einheiten stehen. Da sind E-Mails oft das falsche Instrument. Einige Geschäftseinheiten berichten tendenziell lieber alle möglichen Risiken, die sie so sehen. Andere wiederum scheuen sich komplett davor und gehen dem eher aus dem Weg. Das sind genau die Situationen, in denen man mit Gefühl und Augenmaß reinstechen sollte, um zu erfahren, was wirklich Sache ist.