Network Slicing im öffentlichen Telekommunikationsnetz der Mobilfunkbetreiber oder lieber ein privates Campusnetz? In Deutschland haben Unternehmen die Wahl.
Use Cases – 5G-Einsatz ganzheitlich betrachten
Anwendungsfälle von 5G, die Unternehmen bei der Entscheidungsfindung helfen, gibt es von den Netzbetreibern, von OEMs und von Dritten. Auch wir bei EY haben eine umfangreiche Bibliothek an Use Cases, die wir mit unseren Kunden durchspielen. Häufig kristallisiert sich das folgende dreistufige Muster heraus:
- Einsatzbereich ganzheitlich verstehen:
Eine strukturierte Aufnahme, an welchen Stellen der Produktion und Lieferkette 5G zum Einsatz kommen kann, findet meist nicht statt. Stattdessen liegt der Fokus häufig auf einzelnen Cases wie zum Beispiel selbstfahrenden Fahrzeugen. Spannende Anwendungsbereiche für den jeweiligen Kunden liegen häufig ganz woanders – daher ist die ganzheitliche Analyse entlang den beschriebenen Vorteilen von 5G unerlässlich, um die individuellen Einsatzbereiche zu identifizieren.
- Potenziale der Digitalisierung der Produktion analysieren:
Die Entscheidung über eine Einführung von 5G wird häufig an einem einzelnen Use Case aufgehängt. Dieser kann positiv sein, wenn beispielsweise proprietäre Standards einzelner Lösungen abgelöst werden. Manchmal reicht aber ein einzelner Use Case nicht aus, um die Kosten der Einführung von 5G zu rechtfertigen. Auch bei mehreren Use Cases rechnet sie sich möglicherweise nicht über Kosteneinsparung. Vielmehr ist es entscheidend, die gesamten Potenziale der Digitalisierung zu betrachten und nicht nur die Summe einzelner Fälle. Gerade in Deutschland ist oft nicht Kostenersparnis der Hebel von Maßnahmen im Zuge von Industrie 4.0, sondern das Erschließen neuer Geschäftsmodelle.
- Weitere Dimensionen betrachten:
5G als ein weltweiter Kommunikationsstandard ermöglicht weitere Vorteile, die in eine Bewertung einfließen müssen. Dazu zählen der Zugang zu breiten Use-Case-Portfolios und mit der Einführung offener Architekturen auch der Zugang zu weiteren kreativen Potenzialen, die nicht an proprietäre Standards gebunden sind. Proprietäre Lösungen zu ersetzen kann sich vorteilhaft auf Kosten, Flexibilität und Sicherheit auswirken. Die diskutierten Zertifizierungsmöglichkeiten bieten für Unternehmen hier weitere Möglichkeiten der Absicherung im Vergleich zu proprietären Lösungen.
Eine EY-Umfrage bezüglich der Relevanz einzelner 5G-Use-Cases bestätigt ein heterogenes Bild der individuellen Priorisierung einzelner Anwendungsfälle im jeweiligen Industriekontext. Die Umfrage wurde online unter 1.000 Unternehmen unterschiedlicher Branchen durchgeführt.
Darüber hinaus zeigte sich die Mehrheit (74 Prozent) der befragten Unternehmen sicher, dass 5G Einzug in die DNA ihres Unternehmens halten wird, wobei sich nur knapp die Hälfte (48 Prozent) für die erfolgreiche Umsetzung entsprechender 5G-IoT-Anwendungsfälle gewappnet sieht.
5G-Einführung erfordert mehr als Connectivity
Wenn die Einführung von 5G nicht nur aus der Perspektive einzelner Use Cases betrachtet wird, sondern unter dem Aspekt der Digitalisierung der Fabrik, sind weitere Aspekte in das Konzept mit einzubeziehen.
- Welche Datenarchitektur wird benötigt, um die Vorteile von 5G nutzen zu können, eine Vielzahl unterschiedlicher Endpunkte miteinander zu verknüpfen und deren Daten zu sammeln? Wie können die Daten von Menschen und Maschinen zusammengeführt werden?
- Welche Datenschutzbestimmungen sind zu beachten, wenn Daten von Mitarbeitern (Bewegungsdaten, Körperdaten etc.) ausgewertet werden (Stichwort DSGVO)? Zu welchen Zwecken darf dies erfolgen?
- Wie ist die Sicherheitsarchitektur so aufzustellen, dass die Produktion immun gegen Angriffe bleibt?
- Welche Kompetenzen brauchen die Mitarbeiter? Wie ändern sich die Anforderungen in einzelnen Jobprofilen? Welche Trainingsbedarfe ergeben sich?
- Wie können Unternehmen die Daten aus der Produktion tatsächlich nutzen? Müssen sie die Analytics-Leistungen selbst erbringen oder können sie Analytics as a Service in Anspruch nehmen?
Diese Betrachtungen zeigen, dass die Einführung von 5G nicht allein die Aufgabe der IT oder der Produktion sein kann, sondern sich immer in einem interdisziplinären Team bewegen muss. So können die Vorteile des Mobilfunkstandards ganzheitlich und zukunftsorientiert genutzt werden.
Fazit
Im Krisenjahr 2020 geriet das Thema 5G fast in Vergessenheit. Doch 5G bietet deutlich mehr Chancen als nur höhere Übertragungsgeschwindigkeiten. Sicherheit und Zukunftsorientierung machen den globalen Standard zum Kern-Enabler für die Industrie 4.0. Effizienz- und Kostenvorteile werden zwar oft nicht zu sehen sein, aber produzierenden Unternehmen ermöglicht 5G neue Geschäftsmodelle. Bei der Frage, ob und wie Campusnetzwerke aufgebaut werden sollen, müssen Unternehmen die Digitalisierung der Produktion ganzheitlich denken und ihren jeweiligen 5G-Anwendungsfall entsprechend betrachten. Nach einer EY-Umfrage sehen sich Unternehmen aber nur unzureichend gewappnet, sowohl bezüglich der technologischen Herausforderungen als auch bei Fragestellungen rund um Datenarchitektur, Sicherheit und Analytics.