6 Minuten Lesezeit 16 Mai 2023
Radfahrer in einer Haarnadelkurve in den spanischen Bergen

Warum sich ESG für PE auszahlt – und wie Potenziale realisiert werden können

Von Johannes Zuberer

Partner, Strategieberatung, EY Strategy & Transactions GmbH

Erfahrener Strategieberater mit Schwerpunkt Commercial Due Diligence und Strategic Value Creation. Jazzmusiker. Verheiratet und zweifacher Vater.

6 Minuten Lesezeit 16 Mai 2023

Geschäftsmodelle nachhaltig zu gestalten, dient nicht nur der Reputation und der Risikominimierung. Auch höhere Renditen sind möglich.

Überblick
  • Nachhaltigkeit ist heute unverzichtbarer Teil fast aller Geschäftsmodelle.
  • ESG sehen PE-Investoren oft noch zu sehr als Aspekt des Risiko- oder Reputationsmanagements. Doch hier stecken auch erhebliche Chancen für Wertsteigerungen.
  • Eine wissenschaftliche Untersuchung belegt eine durchschnittliche Verbesserung der Rendite um 7,8 Prozentpunkte.
  • Es gilt, im PE-Unternehmen branchenspezifische Expertise für ESG-Themen aufzubauen und die Umsetzung in den Beteiligungsunternehmen eng zu begleiten.

Eine Innovation ist der Bio-Joghurt mit exotischen Früchten aus Fairtrade-Anbau wahrhaftig nicht mehr. Aber als Beispiel dafür, wie die Prinzipien von Umweltschutz, sozialen Standards und Corporate Governance (nach den englischen Begriffen kurz ESG genannt) dazu beitragen können, den Wert eines Unternehmens zu steigern, kann er immer noch dienen. Verbraucher schätzen solche Produkte, was unter anderem in der Bereitschaft deutlich wird, dafür einen höheren Preis zu zahlen. Im Unternehmen kann das oft die Margen verbessern. Zusätzlich lassen sich mit der Portfolioerweiterung Marktanteile gewinnen; das neue Produkt erschließt neue Kundengruppen und verschafft der Marke zusätzliche Attraktivität. Kurzum: Diese Fokussierung auf nachhaltige Produkte schafft Wachstumspotenzial.

Jede Branche hat dabei ihre eigenen Hebel. Bei einem Hersteller von Aufzügen kann zum Beispiel die Umstellung der Fahrzeugflotte für den Service auf Elektroautos nicht nur den Kohlendioxidausstoß reduzieren, sondern auch dank eines geringeren Wartungsbedarfs und einer längeren Lebensdauer der Autos die Kosten deutlich reduzieren.

Von Leverage zu operationeller und strategischer Wertsteigerung

Auch für Private-Equity-Investoren spielt ESG mittlerweile eine essenzielle Rolle. Die Schwerpunkte, auf die Gesellschaften setzen, um bei den Beteiligungen Renditen zu erwirtschaften, haben sich über die Jahre immer weiterentwickelt. Zählte in den 1980er- und 1990er-Jahren in erster Linie der Leverage-Effekt, waren es später Multiple-Arbitrage-Modelle, bevor der Themenkomplex Value Creation die größten Wertsteigerungen ermöglichte.

Diese Wertsteigerungsansätze sind heute der Treiber für fast drei Viertel der Erträge, die Beteiligungsunternehmen erwirtschaften. Sowohl operationelle als auch strategische Anpassungen rücken dabei in den Fokus. Zu Letzteren zählen auch die konsequente Ausrichtung auf ESG-Werte und das Erkennen und Umsetzen der damit verbundenen Chancen. Natürlich müssen sie überdies sicherstellen, dass auch die Beteiligungsgesellschaften selbst möglichst nachhaltig wirtschaften, sämtliche relevanten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und die regelmäßigen Anpassungen der Regulatorik aufmerksam verfolgen.

Sehr gute ESG-Profile versprechen deutlich bessere Renditen

Wie sehr sich der ESG-Schwerpunkt bezahlt macht, zeigen Daten einer wissenschaftlichen Untersuchung von EY-Parthenon gemeinsam mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, in die umfangreiche Daten aus Beteiligungsgesellschaften weltweit eingeflossen sind. Damit konnten die positiven Auswirkungen auf die Renditen erstmals quantitativ belegt werden. Für die Studie wurde der Zusammenhang zwischen den Renditen und den ESG-Profilen der Portfoliounternehmen der jeweiligen Fonds gemessen. Die ESG-Profile der Portfoliounternehmen wurden dabei über RepRisk-Ratings gemessen, die das ESG-Reputationsrisiko durch öffentliche ESG-Zwischenfälle von Unternehmen quantifizieren. RepRisk ist somit kein klassisches „ESG-Rating“, bei dem sich die Methodiken zwischen einzelnen Ratinghäusern stark unterscheiden, sondern zeigt direkt auf, wo Unternehmen im Zusammenhang mit ESG-kritischen Zwischenfällen assoziiert sind. Im Schnitt erzielen PE-Investoren mit einem sehr guten ESG-Profil von AAA demnach IRR-Renditen von 25,4 Prozent. Sie liegen damit um 7,8 Prozentpunkte besser als Investoren, die lediglich ein ESG-Profil von BBB schaffen, und 7,4 Prozentpunkte über jenen mit einem ESG-Profil von A.

Größere Fonds, die ein Vermögen von mehr als 5 Milliarden Euro verwalten, können von dem Trend ganz besonders profitieren, da sie dem Thema oft schon länger Aufmerksamkeit widmen und häufig auch höhere Budgets und personelle Kapazitäten dafür bereitstellen. In dieser Gruppe schaffen die Beteiligungsgesellschaften mit einem ESG-Profil von AAA eine interne Verzinsung von 32,1 Prozent. Das sind 16,1 Prozentpunkte mehr als in der Gruppe der Wettbewerber mit einem ESG-Profil von durchschnittlich BBB. Bei kleineren Fonds mit bis zu 5 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen liegt der Wert der Verzinsung bei 27,6 Prozent und damit 14,2 Prozentpunkte höher als in der Kategorie BBB.

Verzinsungsvorsprung

16,1

Prozentpunkte mehr interne Verzinsung schafft ein großer PE-Investor mit einem ESG-Rating von AAA im Vergleich zu einem Wettbewerber, der auf BBB kommt.

Die Experten verweisen zur Begründung der besseren Performance auf eine Reihe der schon angedeuteten Vorteile, die sich aus ESG-konformem Verhalten ergeben. Nur einige Beispiele: Unternehmen, die bei der Herstellung auf nachhaltige Materialien setzen, wachsen um 2,5 Prozent deutlicher und schaffen eine um 6,9 Prozent höhere Umsatzrendite als Wettbewerber, die auf diese Strategie verzichten. Auch eine stärkere Einbindung des Personals bringt klare Vorteile für die Umsätze. Zusätzlich kann ein gutes ESG-Profil die Kosten der Finanzierung reduzieren. Die Liste der Maßnahmen, die die Rendite treiben können, ist natürlich unterschiedlich, je nach Branche und Unternehmen.

Reputationsrisiken und Risikomanagement stehen zu sehr allein im Vordergrund

Sicherzustellen, dass Unternehmen die ESG-Vorgaben einhalten, etwa aus EU-Richtlinien wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder den Taxonomie-Regeln, ist inzwischen bei Transaktionen quasi selbstverständlich. Werden sie nicht eingehalten, drohen Abschläge bei der Bewertung. Nahezu alle Beteiligungsgesellschaften haben das Thema ESG daher wegen seines langfristigen Mehrwerts längst auf der Agenda.

Für die Mehrzahl der befragten Unternehmen steht bei der Beschäftigung mit Nachhaltigkeit jedoch bisher im Vordergrund, Reputationsrisiken zu reduzieren und die Anforderungen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen. Jeweils mehr als vier Fünftel der Befragten bezeichnen diese Aspekte als entscheidende Motivation, sich ESG-Fragen zu widmen. Zwei Dritteln ist es wichtig, die Risiken, dass es zu einer Haftung oder Rechtsstreitigkeiten kommt, möglichst gering zu halten.

Umfangreichere Perspektive macht sich bezahlt

Um das Potenzial des Themas voll auszuschöpfen, ist aber mehr nötig: Wer die ESG-Vorgaben umfänglicher auslegt, hat nicht nur die Chance, die Attraktivität des Geschäftsmodells langfristig zu sichern, sondern auch zusätzlichen Wert zu schaffen. Schließlich beeinflusst ESG die Marktdynamik, das Kundenverhalten und die Wettbewerbssituation, alles Entwicklungen, die Risiken enthalten, aber auch erhebliche Chancen für das Geschäftsmodell bieten können.

Aus den genannten Veränderungen ergeben sich zusätzliche Wachstumschancen. Dafür gilt es, ESG-Initiativen auf mögliche Auswirkungen auf Umsatz, Gewinn und die Finanzierung zu analysieren, um strategisch die Unternehmensbewertung und damit auch die Renditen der Investoren zu verbessern. Noch führt nur rund die Hälfte der Investoren an, dass sie die Nachhaltigkeit der Portfoliounternehmen im Blick haben, um die Exit-Bewertung oder die eigene Rendite zu beeinflussen. Noch zurückhaltender sind die Investoren bei Gewinnsteigerungen, hier sehen nur 29 Prozent einen positiven Zusammenhang.

Erhebliche Bandbreite der Hebel für mehr Nachhaltigkeit

Um von den Wertsteigerungen zu profitieren, ist es zunächst wichtig, sich die Bandbreite an möglichen Stellschrauben zu verdeutlichen, die sich auf den Themenkomplex ESG auswirken. Beispiel Umweltfragen: Um den Klimawandel aufzuhalten, geht es zum Beispiel um die Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, einen geringeren Verbrauch von Ressourcen und weniger Abgabe von Mikroplastik in die Natur. Für die Ökologie spielen aber auch Wasserverbrauch, Abfallentsorgung und Elemente einer Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle. 

Eine bessere soziale Verträglichkeit nimmt Diversität, die Förderung der Mitarbeitenden wie auch Arbeitsgesetze und Menschenrechte in den Blick. Zu den wichtigen Themen für eine funktionierende Corporate Governance gehören eine positive Unternehmenskultur, Transparenz in Finanz- und Steuerfragen, die Vermeidung von Korruption, aber auch die Auswahl geeigneter Zulieferer und die Absicherung vor Cyberattacken.

Jeder dieser Punkte hat wiederum zahlreiche Teilaspekte, die sich hinsichtlich ihrer Relevanz je Branche deutlich unterscheiden. In einem derart breiten Themenfeld ist es schwierig, die richtigen hausinternen Kompetenzen bereitzuhalten und einen umfassenden Blick für die Möglichkeiten und Potenziale zu haben.

Ausreichende ESG-Expertise noch lange keine Selbstverständlichkeit

Da bislang ein fundierter Zusammenhang zwischen der Nachhaltigkeit von Portfoliounternehmen und der IRR-Rendite fehlte, überrascht es nicht, dass erst rund die Hälfte der Beteiligungsgesellschaften intern Kapazitäten in diesem Bereich aufbaut. Zwar haben schon 56 Prozent einen Leiter ESG oder ein Team für das Thema benannt – doch ein Fünftel hat dies noch nicht getan. Spezifisches Know-how zu ESG-bedingten Herausforderungen für gewisse Branchen im Portfolio hat bisher weniger als die Hälfte der Unternehmen erfolgreich aufgebaut. Das Gleiche gilt für Zielvorgaben, die sich an Nachhaltigkeit orientieren.

Ein gutes Drittel der PE-Investoren überlässt die ESG-Strategie überwiegend den Portfoliounternehmen. Und nur jeweils rund die Hälfte erwartet ein regelmäßiges Reporting zur Wertsteigerung durch Nachhaltigkeit und zu den Fortschritten, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

Regulierung stärkt Bedeutung von ESG weiter

Die Daten zeigen, dass hier für Beteiligungsunternehmen noch erhebliches Potenzial besteht. Um das zu nutzen, ist es nötig, im eigenen Haus möglichst umfangreiche Kompetenzen aufzubauen und so die wichtigsten Themenkomplexe bezüglich der Chancen, aber auch der Risiken für Beteiligungsgesellschaften zu erkennen. Jede Branche, jeder Subsektor und jedes Unternehmen im Portfolio verfügt dabei über unterschiedliche Hebel, um nachhaltiger zu werden. Diese gilt es für die Experten im PE-Unternehmen zunächst zu erkennen und dann in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Beteiligungsunternehmen umzusetzen, um Werte zu heben.

Die ESG-Spezialisten sollten schon bei der Bewertung eines möglichen Portfoliounternehmens vor dem Deal intensiv eingebunden werden, um Risiken zu bewerten, mögliche Chancen in die Equity Story einzuweben und die wichtigsten Stellschrauben für eine künftige Wertsteigerung zu definieren. Nach Abschluss der Transaktion sind sie gefragt, um die Einhaltung der für die Branche entscheidenden Vorgaben sicherzustellen, aber vor allem auch die Optionen für eine Wertsteigerung anzupacken.

All diese Schritte erfolgen in enger Abstimmung mit dem Portfoliounternehmen, Impulse und Zielvorgaben für mehr Nachhaltigkeit kommen aber vor allem aus der Beteiligungsgesellschaft. Für die Unternehmen im Beteiligungsportfolio bedeutet das ein regelmäßiges Reporting, um Fortschritte auf dem Weg zu gemeinsam definierten Zielen zu belegen. Den Prozess unterstützen klare Mechanismen, die definieren, wie die Vorgaben eingehalten werden. Noch besser funktioniert dieser Prozess, wenn mit den Zielen und den Schritten auf dem Weg dorthin Anreize für das Unternehmen verbunden sind.

All diese Schritte ermöglichen es der Investment-Gesellschaft, in enger Abstimmung mit den Unternehmen die Nachhaltigkeit nachdrücklich zu verbessern – und sie fördern, wie die Daten oben zeigen, nachhaltig die Rendite. 

Fazit

Für Private-Equity-Investoren stecken im Thema Nachhaltigkeit erhebliche Möglichkeiten. Wer Potenziale erkennt und die richtigen internen Fähigkeiten schafft, um diese zu realisieren, erzielt nachweislich deutlich bessere Investment Returns. Im Schnitt beläuft sich das Plus auf 7,8 Prozentpunkte.

Über diesen Artikel

Von Johannes Zuberer

Partner, Strategieberatung, EY Strategy & Transactions GmbH

Erfahrener Strategieberater mit Schwerpunkt Commercial Due Diligence und Strategic Value Creation. Jazzmusiker. Verheiratet und zweifacher Vater.