Mit jeder weiteren „grünen“ Kilowattstunde fehlt es an Kapazitäten, um den fluktuierenden Ökostrom zu speichern.
Ökologisch gut gedacht, ökonomisch kontraproduktiv
Im Sommer liefern Photovoltaik-Anlagen im Süden am Limit, im Winter stürmt es an der See und die Windmühlen laufen auf Hochtouren. Der Windstrom von Nord- und Ostsee muss in die bevölkerungsreichen Regionen West- und Süddeutschlands transportiert werden. Da der Netzausbau der Entwicklung dramatisch hinterherhinkt, wird zwar von Jahr zu Jahr mehr Ökostrom produziert, aber immer öfter verschenkt. Das Ergebnis: Schon heute geraten Strommarkt und Stromnetze an ihre Grenzen, an der europäischen Strombörse EEX sehen wir immer öfter negative Strompreise. Was ökologisch gut gedacht war, wird ökonomisch kontraproduktiv.
Kein Energieträger ist so vielseitig wie Wasserstoff und schlägt darüber hinaus die Brücke zum Verkehrssektor.
Damit Investitionen in den Energiesektor nicht zu „stranded assets“ werden, brauchen wir dringend ausreichende Kapazitäten zur Speicherung erneuerbarer Energien. Und genau hier kommt grüner Wasserstoff ins Spiel, als Speichermedium und als Energieträger zugleich. Er wird durch die Elektrolyse von Wasser durch Windstrom (Power-to-Gas) gewonnen und kann sowohl in Strom als auch in Wärme umgewandelt werden. Kein Energieträger ist so vielseitig und schlägt darüber hinaus die Brücke zum Verkehrssektor. Gerade in Norddeutschland mit seiner großen und ausbaufähigen Menge an On- und Offshore-Windkraftanlage sowie der Möglichkeit zur Errichtung großer Speicher in Salzkavernen sind die Voraussetzungen für die Errichtung einer Windwasserstoffwirtschaft ideal.
Die Revolution braucht Rückenwind
Es wird Zeit für die deutsche Wasserstoffrevolution. Das ist auch die Schlussfolgerung unserer EY-Studie "Windwasserstoff - Zukunft der Energiewende". Die deutsche Energiewende kann nur Erfolg haben, wenn wir einerseits saisonal und tageszeitlich fluktuierenden Strom speichern können und andererseits die Brücke zu den Sektoren Wärme und Verkehr schlagen. Was den Strommarkt betrifft, ist Deutschland bereits einen großen Schritt in Richtung CO2-Neutralität vorangekommen.
Im Wärme- und Verkehrsbereich sieht es hingegen schlechter aus. Doch gerade hier kann Wasserstoff zur Schlüsseltechnologie werden:
- durch effiziente Brennstoffzellentechnologie in mobilen wie auch stationären Anwendungen
- durch thermische Verwertung
- als erneuerbarer Rohstoff für die Chemieindustrie, die bisher noch auf fossile Ausgangsstoffe angewiesen ist.
Doch damit die Revolution gelingt, braucht sie Rückenwind. Heute ist grüner Wasserstoff preislich noch nicht wettbewerbsfähig. Es besteht das „Henne-Ei-Problem“: Aufgrund fehlender Endnutzer fehlt es an Anreizen für den Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur, der wiederum die Voraussetzung für neue Nachfrage durch den Endnutzer ist. Das zeigt sich besonders im Verkehrssektor, wo neben einer fehlenden Tankstelleninfrastruktur der hohe Preis von Brennstoffzellen-Pkw den Durchbruch verhindert.
Ähnlich sieht es bei der Speichertechnologie im Strommarkt aus: Die gegenwärtigen Investitionsanreize für Power-to-Gas reichen für private Akteure nicht aus, um eine kritische Masse an Elektrolysekapazitäten zu erreichen und Skaleneffekte zu erzielen.
Aufgrund fehlender Endnutzer fehlt es an Anreizen für den Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur, der wiederum Voraussetzung für neue Nachfrage durch den Endnutzer ist.
Das Vertrauen in die Brennstoffzelle stärken
Energiepolitisch brauchen wir daher zweierlei: Zum einen müsste das EEG neu justiert werden, da die feste Preis- und Abnahmegarantie für Windkraftanlagenbetreiber den Anreiz mindert, selbst in Speichertechnologien zu investieren. Hier muss die Politik eingreifen, um das derzeitige Marktversagen zu korrigieren und die Speicherung von Windwasserstoff rentabler zu machen.
Zum anderen sollte die Politik im Wärme- und Verkehrsbereich Pilotprojekte anstoßen, die das Vertrauen in die Brennstoffzellentechnologie sowohl in der Industrie als auch im privaten Bereich stärken, um den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen.
Japan geht hier mit gutem Beispiel voran: Im Rahmen seiner nationalen Wasserstoffstrategie fördert Tokio den Einsatz stationärer Brennstoffzellen in Gebäuden und die Marktdurchdringung von Wasserstofffahrzeugen im Verkehr. Wir sollten so bald wie möglich nachziehen, denn weder die Energie- noch die Verkehrswende werden ohne den lenkenden Eingriff des Staates Erfolg haben. Es braucht konkrete Zielvorgaben für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und dafür die nötigen Investitionsanreize seitens der Politik.
Fazit
Damit Wasserstoff keine ewige Zukunftshoffnung bleibt, brauchen wir eine intelligentere und mutigere Energiepolitik. Die Technologie ist längst da – was fehlt, ist der nötige Schritt in die Zukunft.