Der 5G-Einsatz ermöglicht ein zuverlässiges und aus der Entfernung steuerbares medizinisches Notfallreaktionssystem in Echtzeit.
Verglichen mit bisherigen Entwicklungsstufen im Mobilfunk ist 5G eine Revolution. Der neue Standard ist für das Internet of Things (IoT) optimiert und für maschinelle Massendaten ausgelegt. Tausende von Geräten innerhalb einer Funkzelle können dadurch zuverlässig und energieeffizient Daten miteinander austauschen.
Betrug die Latenzzeit – der Zeitraum zwischen Aktion und tatsächlichem Eintreten – mit den bisherigen Telekommunikationstechnologien noch 40 bis 100 Millisekunden, reduziert sich diese durch 5G auf unter 1 Millisekunde. Damit ergibt sich die Grundlage für Übertragung von Live-Videos mit mindestens 1080p und 30FPS und die Übertragung von Fern-Ultraschall ohne Paket- oder Frameverlust. Durch diese technologische Evolution und die damit verbundene Möglichkeit der Übertragung riesiger Datenmengen wird erstmals Echtzeitkommunikation real. Dies revolutioniert die Patientenversorgung und ermöglicht die Notfallbehandlung für jeden, überall in höchster medizinischer Qualität.
Lücken in der Netzabdeckung schließen, um 5G nutzbar zu machen
Doch das liegt leider noch in weiter Ferne. Derzeit schöpfen die Anwender selbst die vorhandenen technologischen Möglichkeiten zur Digitalisierung noch nicht annähernd aus. Dies liegt nicht nur an knappen finanziellen Ressourcen, sondern auch daran, dass es in Deutschland noch immer Orte ohne durchgängige Breitband- und Mobilfunkabdeckung gibt. Insbesondere ländlich geprägte Regionen sind noch nicht ausreichend an ein stabiles Mobilfunknetz angebunden.
Genau jene Regionen sind es aber, die häufig unter Herausforderungen wie einem (drohenden) Fachärztemangel, einer geringen Arztdichte oder langen Anfahrtswegen in Krankenhäuser und weitere Gesundheitseinrichtungen leiden. Auch die Opportunitätskosten für Ärzte sind hoch. Denn da eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung nicht sichergestellt wird, fallen zahlreiche Visiten im häuslichen Umfeld an. Daher gilt es, diese Regionen zu stärken und Ressourcen zu schonen, zum Beispiel durch eine Reduktion vermeidbarer Krankenhausaufenthalte oder durch eine Entlastung der Akteure. Diese Regionen profitieren von digitalen Anwendungen und können sich so auch auf die Bedürfnisse der alternden Gesellschaft einstellen.
Es gilt, ländlich geprägte Regionen zu stärken und Ressourcen zu schonen, zum Beispiel durch eine Reduktion vermeidbarer Krankenhausaufenthalte oder durch eine Entlastung der Akteure im Gesundheitssystem. Regionen mit Fachärztemangel, geringer Arzt- und Krankenhausdichte profitieren besonders von digitalen Anwendungen.
Derzeit ist ein Großteil der deutschen Krankenhäuser an das IVENA-Zuweisungssystem angebunden, das eine Zuordnung von Notfallpatienten des Rettungsdienstes an Krankenhäuser ermöglicht und Notaufnahmen entlastet. Darüber hinausgehende Kooperationen und telemedizinische Anwendungen zwischen Rettungsdienst und Gesundheitseinrichtungen gibt es jedoch kaum.
Bekannt sind Projekte, in denen Notfallsanitäter auf telefonische Unterstützung von Fachärzten zurückgreifen können, oder Apps mit pharmazeutischen Informationen für Rettungssanitäter. Diese Angebote werden jedoch unter anderem aufgrund der lückenhaften Breitband- und Mobilfunkanbindung nur selten genutzt. Wenn schon Telefonate und App-Anwendungen an der IT-Infrastruktur scheitern, sind Anwendungen, die 5G als Mobilfunkstandard benötigen, nicht durchsetzbar. Artikel und Produktvorstellungen über die nahezu grenzenlos anmutenden Möglichkeiten der digitalen Anwendungen lesen sich faszinierend – aber umgesetzt wird nur ein geringer Anteil.
Transformation: Das Gesundheitswesen schrittweise für die Zukunft wappnen
Das potenziell Mögliche zu bewerben und anzusteuern ist wichtig, um Innovationen voranzutreiben und unser Gesundheitswesen für die Zukunft zu wappnen. Doch viele Ideen und Projekte neigen dazu, den übernächsten Schritt vorwegzunehmen und das Umsetzbare aus den Augen zu verlieren. So entstehen zahlreiche spannende Konzepte, die letztlich aber genau das bleiben: Konzepte. Augmented-Reality-Brillen für Notfallsanitäter, die live vor Ort Fachärzte hinzuschalten können, sind ohne Frage sinnvoll und mit ausreichender 5G-Mobilfunkversorgung technologisch möglich – aber unter objektiver Betrachtung des Status quo in weiter zeitlicher Ferne. Es ist unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren Gesichtserkennungstechnologien und Drohnen der Standard in der deutschen Notfallversorgung werden, wenn Laborbefunde immer noch per Fax verschickt werden. Wenn heute immer noch die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung ohne flächendeckendes Mobilfunknetz und mit Funklöchern auskommen muss, ist es wenig zweckdienlich, dort digitale Anwendungen vorzuschlagen, die ohne 5G-Anbindung nicht nutzbar sind. Hier sind innovative, aber auch praktikable Mittel gefragt.
Es ist unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren Gesichtserkennungstechnologien und Drohnen der Standard in der deutschen Notfallversorgung werden, wenn Laborbefunde immer noch per Fax verschickt werden.
Damit im Zukunftsszenario ein weit entfernter Experte virtuell beispielsweise ein Herz-Echo durchführen kann, ist eine hohe Bandbreite für hochauflösende Echtzeitübertragung von komplexen Inhalten wie Bild und Ton, aber auch eine geringe Latenz von unter 100 Millisekunden für Echtzeit-Datenleitungen über große Distanzen vonnöten. Zuverlässige Fernbeurteilung ohne Zeitverzögerung wird in naher Zukunft zunächst eher räumlich begrenzt und in stationären Einrichtungen mit sogenannten „private slices“ genutzt werden, statt dass direkt mobile Lösungen implementiert werden. Baut man sukzessive die IT-Infrastruktur aus und errichtet eine ausreichende Anzahl 5G-Mobilfunkmasten, können auch Echtzeit-Videoübertragungen möglich werden – aber nur dann. Beispielsweise könnten sich in den kommenden Jahren vermehrt kleinere, aber klar definierte „Testumgebungen“ mit idealen organisationalen und technischen Bedingungen entwickeln. Darin könnten dann die entsprechenden 5G-Anwendungen pilotiert werden und man könnte sich den dargestellten, teilweise futuristischen Anwendungsfällen annähern.
Fazit
Das Gesundheitswesen befindet sich am Anfang eines kontinuierlichen Lern- und Entwicklungsprozesses: 5G ist mehr als eine weitere technologische Entwicklung und kann zu einer signifikanten Verbesserung in unserer Lebensweise führen und in der Notfallversorgung Leben retten. Allerdings mutet vieles noch wie Science-Fiction an, wenn man bedenkt, dass die Digitalisierung im Gesundheitssektor gerade erst in Schwung kommt. Noch scheitern zum Beispiel im ländlichen Raum viele digitale Anwendungen an der lückenhaften Breitband- und Mobilfunkanbindung. Bis Telemedizin auf 5G-Basis also marktreif ist, braucht es Pilotprojekte in „Testumgebungen“ mit idealen Bedingungen.