Zulassung als Kryptowerte-Dienstleister
Zukünftig ist eine Zulassung für Kryptowerte-Dienstleistungen zwingend bei der jeweils national zuständigen Aufsichtsbehörde zu beantragen, in Deutschland bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Auch deutsche Unternehmen, die bereits über eine BaFin-Erlaubnis in Bezug auf Kryptowerte wie zum Beispiel das Kryptoverwahrgeschäft gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG verfügen, sind von der Zulassungspflicht betroffen. Die MiCAR zielt zwar in Teilen auf die gleichen Kryptowerte bzw. Tätigkeiten wie das KWG ab, ist jedoch nicht deckungsgleich mit der deutschen Regulierung. Mit der MiCAR gibt es eine gesonderte, im Finanzaufsichtsrecht neuartige –nämlich durch eine europäische Verordnung geregelte – Zulassungspflicht. Damit einher geht jedoch auch die Möglichkeit des EU-Passporting (auch als „Europäischer Pass“ bezeichnet). Hierbei können Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR zugelassen sind, ihre entsprechenden Dienstleistungen mit minimalen zusätzlichen Anforderungen in anderen Ländern der EU beziehungsweise des EWR anbieten. Diese Pässe sind die Grundlage des EU-Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen.
Verhaltens- und Organisationspflichten – neue Compliance-Anforderungen
Insbesondere bei den allgemeinen Pflichten für die Erbringung von Kryptowerte-Dienstleistungen nach Kapitel 2 der MiCAR, aber auch bei den speziellen Pflichten für verschiedene Dienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte in Kapitel 3 finden sich umfangreiche Verhaltens- und Organisationspflichten. Schon die allgemeinen Pflichten sind zahlreich – unter anderem gehören dazu die folgenden:
- ehrliches, faires und professionelles Handeln im Einklang mit den besten Interessen der aktuellen und potenziellen Kunden
- faire, klare und nicht irreführende Kundeninformation und -kommunikation
- Warnung des Kunden vor Risiken im Zusammenhang mit Transaktionen
- Bereitstellung von Hyperlinks zu allen Kryptowerte-Whitepapers, die in Bezug auf die Dienstleistungen veröffentlicht werden
- Veröffentlichung der Preisstruktur und der Klimarelevanz in Bezug auf Konsensmechanismen auf der Website
In den nachfolgenden Artikeln der MiCAR gibt es eine Menge weiterer aufsichtsrechtlicher Anforderungen und Regelungen zur Unternehmensführung. Die Ermittlung, Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten ist ebenso detailliert geregelt wie strenge Vorgaben in Bezug auf Auslagerungen („outsourcing“).
Auch sind für klassische Finanzdienstleistungsinstitute schon statuierte Anforderungen an die Geschäftsleitung in Bezug auf Qualifikation und Reputation, an Mitarbeitende, an das Compliance-Management und die Geldwäscheprävention normiert. Die Wirksamkeit der Strategien und Verfahren zur Einhaltung all dieser Vorgaben muss regelmäßig geprüft und dabei etwaig aufgedeckte Defizite behoben werden. Die Beachtung der Verordnung (EU) 2022/2554 über die Betriebsstabilität digitaler Systeme (DORA) ist ebenso vorgeschrieben wie diejenige der Regelungen der Richtlinie (EU) 2022/2555 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union (NIS2), die noch in nationales Recht überführt wird.
Wichtig: Alle Finanzintermediäre, die aufgrund von Art. 60 MiCAR keine Erlaubnis nach Art. 59 MiCAR benötigen, sondern „lediglich“ das Notifikationsverfahren durchlaufen müssen, sind ebenfalls Adressaten vieler der zuvor beschriebenen Pflichten. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass Compliance-Vorgaben sowohl aus der MiCAR als auch aus der MiFID II zu beachten sind.
Whitepaper ist Pflicht
Beim öffentlichen Angebot von Kryptowerten oder bei der Zulassung von Kryptowerten zum Handel auf einer Handelsplattform ist ferner grundsätzlich ein Whitepaper zu erstellen. Diese Pflicht trifft alle in der EU agierenden Emittenten von Kryptowerten, das heißt juristische Personen, die Kryptowerte jeglicher Art öffentlich anbieten oder deren Zulassung auf einer Handelsplattform beantragen.
Das MiCAR-Whitepaper ist ein Informationsdokument und hinsichtlich der Ausgestaltung und der Mindestinhalte mit dem Prospekt für Wertpapiere i. S. d. MiFID II vergleichbar. Konkret sind die Inhalte in Art. 5 MiCAR statuiert. Ein Kryptowerte-Whitepaper muss danach folgende Informationen enthalten:
- den Anbieter oder die Person, die die Zulassung zum Handel beantragt
- den Emittenten, wenn es sich dabei nicht um den Anbieter oder die Person handelt, die die Zulassung zum Handel beantragt
- den Betreiber der Handelsplattform, falls dieser das Kryptowerte-Whitepaper erstellt
- das Kryptowert-Projekt
- das öffentliche Angebot des Kryptowerts oder dessen Zulassung zum Handel
- den Kryptowert
- die mit dem Kryptowert verknüpften Rechte und Pflichten
- die zugrunde liegenden Technologien
- die Risiken
- die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen des für die Ausgabe des Kryptowerts verwendeten Konsensmechanismus auf das Klima sowie sonstige entsprechende umweltbezogene nachteilige Auswirkungen
Bezüglich weiterer Anforderungen kommt es auf die Qualifikation des Kryptowerts als ART oder EMT beziehungsweise als sonstiger Kryptowert an.
Dabei müssen alle notwendigen Informationen in fairer, klarer und nicht irreführender Weise enthalten sein. Bei Verletzungen dieser Pflicht drohen Schadensersatzansprüche, sodass hierauf besonderes Augenmerk gerichtet werden sollte.
Wann sind die Regelungen der MiCAR anwendbar?
Das Europäische Parlament hat am 20. April 2023 für die Verabschiedung der MiCAR gestimmt. Am 9. Juni 2023 wurde die MiCAR im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Genau 20 Tage später, am 29. Juni 2023, ist die Verordnung in Kraft getreten. Vom Inkrafttreten (oder auch der „Geltung“) zu unterscheiden ist die Anwendbarkeit. Die Regelungen der MiCAR gelangen nämlich schrittweise zur Anwendung:
- Schritt 1
Bereits seit dem 29. Juni 2023 sind die europäischen Aufsichtsbehörden verpflichtet, Entwürfe zu technischen Regulierungsstandards, technischen Durchführungsstandards und delegierten Rechtsakten zu erlassen. Die europäischen Aufsichtsbehörden müssen diese überwiegend bis zum 30. Juni 2024 an die EU-Kommission übermitteln. - Schritt 2
Auf den Tag zwölf Monate nach Inkrafttreten der Verordnung, das heißt am 30. Juni 2024, werden Bestimmungen für die Emittenten von Asset-Referenced Tokena (ARTa) und E-Money-Tokena (ETMa) anwendbar sein. - Schritt 3
Genau 18 Monate nach Inkrafttreten, somit am 30. Dezember 2024, wird die Verordnung in vollem Umfang anwendbar sein.
Zu berücksichtigen ist, dass gewisse Sonderregelungen für CASPs gelten, sofern diese ihre Dienstleistungen bereits vor dem Inkrafttreten der MiCAR erbringen: Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, die ihre Dienste nach geltendem Recht vor dem 30. Dezember 2024 erbracht haben, dürfen damit bis zum 1. Juli 2026 oder bis zu dem Zeitpunkt fortfahren, zu dem sie (nach entsprechender Antragstellung) eine Zulassung oder Verweigerung nach der MiCAR erhalten, je nachdem, welcher Zeitpunkt zuerst eintritt. Die Mitgliedstaaten können jedoch selbst entscheiden, ob diese Übergangsregelung (oder ein kürzerer Zeitraum) zur Anwendung gelangen soll.
Zeitleiste MiCAR
Anwendbarkeit in drei Schritten
Kurzum: Es besteht Handlungsbedarf
Alle natürlichen und juristischen Personen, die geschäftlich auf dem europäischen Kryptomarkt aktiv sind oder sich künftig zu betätigen gedenken, sollten analysieren, welche Auswirkungen die MiCAR auf ihr jeweiliges (geplantes) Geschäftsmodell hat. Bei dieser Analyse sowie etwaigen Herausforderungen unterstützt EY sie vollumfänglich.
Bedürfen Sie einer Zulassung nach MiCAR? Die entsprechende Dokumentation sollte sorgsam vorbereitet werden, um die erforderliche hohe Qualität und Vollständigkeit sicherzustellen.
Unterliegen Sie der Verpflichtung, ein Whitepaper zu erstellen? Dabei sind die umfassenden Mindestinhalte zu beachten, insbesondere um Straf- beziehungsweise Bußgeldverfahren vorzubeugen.
Benötigen Sie Unterstützung bei der Prüfung der Wirksamkeit von Strategien und Verfahren zur Einhaltung der Vorgaben? Müssen eventuell die interne Organisation beziehungsweise Prozesse angepasst werden? Ist sichergestellt, dass mit der MiCAR überlappende beziehungsweise konkurrierende Regime wie die MiFID II ordnungsgemäß beachtet werden?
Da die Anwendbarkeit der Regelungen nicht mehr in weiter Ferne liegt, raten wir zur zeitnahen Auseinandersetzung mit der MiCAR – andernfalls könnte daraus ein Wettbewerbsnachteil und ein Risiko wegen Nichteinhaltung entsprechender Vorgaben erwachsen.
Fazit
Die MiCAR ist Teil des EU Digital Finance Package von 2020 und seit dem 29. Juni bereits ausschnittsweise anwendbar. Sie schafft einen einheitlichen Regulierungsrahmen für Kryptowerte in der EU und betrifft alle Personen, die Kryptowerte in der EU ausgeben, anbieten oder bestimmte Dienstleistungen erbringen. Die Erlangung einer neuen Zulassung und damit einhergehend die Einhaltung bestimmter Verhaltens- und Organisationspflichten ist nunmehr Pflicht für all diese Personen. Es ist deshalb für jedes Unternehmen, das sich im Kryptomarkt bewegt, unerlässlich, sich rechtzeitig mit den Auswirkungen der Verordnung auseinanderzusetzen.