„Entscheidend ist, dass die Nachfolge so früh wie möglich thematisiert wird und die Now Generation der Next Generation die Möglichkeit gibt zu wählen, sich vorzubereiten und eigene Ideen umzusetzen.“
Gibt es einen besonders schwierigen Knackpunkt beim Generationswechsel? Und wie lässt er sich lösen?
Prügl: Der Generationswechsel ist immer ein schwieriger Balanceakt: Die Now Gen muss loslassen und abgeben können, die Next Gen will übernehmen und eigene Ideen einbringen, die nicht unbedingt auf der Linie der älteren Generation liegen. Hinzu kommt, dass die jüngere Generation ihre Freiräume braucht und selbst steuern will, sich aber gleichzeitig wünscht, dass die ältere Generation ihr Ratgeber ist. Es hat sich hier als hilfreich erwiesen, wenn die jüngere Generation zunächst eigene Bereiche übernimmt, in denen sie sich beispielsweise um die digitale Transformation oder disruptive Geschäftsmodelle kümmert, und diese dann ins Unternehmen einbringt. Darüber hinaus halte ich ein externes Coaching, das den Übergang begleitet, für wichtig und richtig. Das haben auch viele Unternehmerfamilien bereits erkannt.
Welche Rolle spielt die Family Governance bei der Nachfolgeregelung?
Prügl: Eine große und wichtige. Wenn die Familie frühzeitig ein festes Regelwerk aufstellt, in dem sie ihre Werte, Ziele und die Rollen der einzelnen Angehörigen klar formuliert, schafft sie einen Rahmen, an dem sich jedes Familienmitglied orientieren kann. Das beugt unnötigen Konflikten vor, weil jeder weiß, „was Sache ist“. Ich empfehle jeder Familie, eine Family Governance aufzustellen. Sie hilft, Entscheidungen auf einer vorab ausgehandelten Basis zu treffen, und erleichtert damit den Generationswechsel. Ich begrüße es, dass es für viele Familien heute eine Selbstverständlichkeit geworden ist, sich beim Aufsetzen ihres Regelwerks externe Hilfe zu holen.
„Der Generationswechsel ist immer ein schwieriger Balanceakt: Die Now Generation muss loslassen und abgeben können, die Next Generation will übernehmen und eigene Ideen einbringen, die nicht unbedingt auf der Linie der älteren Generation liegen.“
Wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Familienunternehmen geht, spielt ihre Innovationskraft und -fähigkeit eine entscheidende Rolle. Wie können die Unternehmen ihre Innovationsstärke sichern?
Prügl: Das ist ganz einfach: Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, alles selbst und intern machen zu wollen und zu können. Innovation ist Teamsport. Die Unternehmen müssen sich öffnen und in Wertschöpfungsnetzwerken arbeiten, das heißt mit Startups, mit Hochschulen und Universitäten, mit Think Tanks und auch mit anderen Unternehmen, die vielleicht sogar Mitbewerber sind. Für die Innovationsstärke spielt das Denken in Ökosystemen eine entscheidende Rolle. Dafür muss das Unternehmen allerdings Menschen in den eigenen Reihen haben, die wissen, an welcher Stelle kooperiert werden muss, wo sich das Unternehmen öffnet und wer der richtige Partner für die Zusammenarbeit ist. Das muss genau überlegt sein. Denn wer offen für alles ist, kann auch schnell verlieren. Aber es geht ums gemeinsame Gewinnen!
Welche Rolle spielen die digitale Transformation und disruptive Geschäftsmodelle dabei? Und wie können die Familienunternehmen die damit verbundenen Herausforderungen meistern?
Prügl: Die digitale Transformation und disruptive Geschäftsmodelle sind in der Tat echte Herausforderungen für jedes Familienunternehmen. Ich sehe hier die Next Gen als eine große Chance. Sie kann sich genau um diese Themen kümmern und dabei beispielsweise mit einem Startup zusammenarbeiten oder ein „Beiboot“ gründen, in dem disruptive Innovationen ausprobiert und vorbereitet werden, um sie dann in einem nächsten Schritt ins „Hauptboot“ zu überführen. Diese Ambidextrie ermöglicht es dem Familienunternehmen, auf der einen Seite kontinuierlich weiterzuarbeiten, auf der anderen Seite aber auch notwendige Disruptionen und Transformationen voranzutreiben und diese ab einem bestimmten Zeitpunkt ins Tagesgeschäft zu integrieren.
„Für die Innovationsstärke spielt das Denken in Ökosystemen eine entscheidende Rolle. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, alles selbst und intern machen zu wollen. Innovation ist Teamsport.“
Die Marke gewinnt für das Image und den Erfolg von Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Welche Bedeutung hat die Marke für Familienunternehmen? Und mit welchen Werten können sie punkten?
Prügl: Das ist eine Frage, die uns auch in der Forschung sehr beschäftigt. Dabei haben wir herausgefunden, dass Familienunternehmen einen Vertrauensvorschuss haben. Sie werden von den Kunden als authentisch und individuell wahrgenommen; sie sind nicht anonym, sondern hinter ihnen stehen Menschen, die für ihre Produkte und Leistungen bürgen. Besonders interessant ist, dass die Kunden davon ausgehen, dass die Produkte von Familienunternehmen mit mehr Liebe gemacht sind. Viele Familienunternehmen machen sich das bereits im Marketing zunutze und stellen ihr Alter, ihre Herkunft oder auch ihre Familienangehörigen offensiv vor. Meiner Meinung nach kommt jetzt alles darauf an, dass sie dieses in sie gesetzte Vertrauen erfüllen und gleichzeitig die großen Herausforderungen wie die digitale Transformation, das Denken in Ökosystemen und die Unternehmensnachfolge meistern. Dann bleiben die Familienunternehmen das, was sie sind: das Herzstück der deutschen Wirtschaft, das nicht nur für herausragende Produkte und Leistungen steht, sondern auch für Beschäftigung und Wohlstand.
Fazit
Familienunternehmen zeichnen sich durch ihre Kontinuität, Weitsicht und langfristige Orientierung aus, die sich in den Beziehungen zu ihren Mitarbeitern, ihren Kunden und ihrem Standort ausdrücken. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sie die digitale Transformation, das Denken in Ökosystemen und die Unternehmensnachfolge meistern, wobei hier neue Modelle wie Doppelspitzen oder die Kombination von familiärer und externer Führung an Bedeutung gewinnen. Familienunternehmen besitzen einen hohen Vertrauensvorschuss – was in Deutschland damit zusammenhängen mag, dass sie hier eine große wirtschaftliche Bedeutung haben und von Persönlichkeiten geführt werden, die Verantwortung übernehmen.