5 Minuten Lesezeit 18 Januar 2023
chinesischer ceo im gespräch mit seinem managementteam

Deutschland behauptet seine starke Position unter den Top-500 Familienunternehmen

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

5 Minuten Lesezeit 18 Januar 2023

Der aktuelle „Family Business Index 2023“ von EY und der Universität St. Gallen analysiert die 500 größten Familienunternehmen der Welt.

Überblick
  • Trotz aller globalen Krisen überraschen die Top-500-Familienunternehmen mit zweistelligen Zuwächsen und erzielten einen Gesamtumsatz von 8,02 Billionen US-Dollar.
  • Die Familienunternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum erhöhten im Vergleich zu denjenigen aus den anderen Regionen ihren durchschnittlichen Umsatz mit einem Plus von 21 Prozent am stärksten.
  • Deutschland behauptet mit 78 Top-500-Familienunternehmen seine starke Position als „Heimat der Familienunternehmen“ und belegt nach den USA Platz 2 im Ranking.

Trotz Corona-Pandemie und geopolitischen Krisen, internationaler Lieferengpässe, hoher Energiekosten und einer weltweit steigenden Inflation: Die Top-500-Familienunternehmen des von EY und der Universität St. Gallen herausgegebenen Family Business Index 2023 sorgen für eine echte Überraschung: Sie konnten ihren Umsatz gegenüber dem Family Business Index 2021 im Durchschnitt um 14 Prozent auf über 8 Billionen US-Dollar steigern. Zusammengenommen beschäftigen die Top-500-Familienunternehmen weltweit 24,5 Millionen Menschen.

Die Top-500-Familienunternehmen machen einen Gesamtumsatz von über 8 Billionen US-Dollar – und würden als Volkswirtschaft nach den USA und China Platz 3 behaupten

Diese Zahlen unterstreichen die große Bedeutung, die familiengeführte Unternehmen nicht nur für die heimische, sondern auch für die Weltwirtschaft haben. Wenn die Top-500-Familienunternehmen eine Volkswirtschaft wären, dann wären sie nach den USA und China die drittgrößte.

Die Vereinigten Staaten sind nicht nur die stärkste Volkswirtschaft, sondern sie beheimaten auch sieben der zehn größten Familienunternehmen der Welt. Fast ein Viertel (23,6 Prozent) bzw. 118 der im aktuellen Family Business Index aufgeführten Familienunternehmen stammen aus den USA. Gemeinsam erzielten sie einen Umsatz von 2,7 Billionen US-Dollar, was einem Drittel des Gesamtumsatzes aller Top-500-Familienunternehmen weltweit entspricht.

Die Familienunternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum sind stark im Kommen – und wachsen am stärksten

Die Anzahl der Familienunternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum steigt kontinuierlich an. Während 2015, als der Family Business Index zum ersten Mal veröffentlicht wurde, 61 Unternehmen gelistet waren, sind es in der aktuellen Ausgabe 2023 bereits 79 Unternehmen, die den Sprung in die Top-500-Familienunternehmen geschafft haben – gegenüber 74 im Jahr 2021, was einem Anstieg von 6,8 Prozent entspricht.

Darüber hinaus sorgten die Familienunternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum für zwei weitere Überraschungen: Zum einen durchbrachen sie mit ihrem Gesamtumsatz zum ersten Mal die 1-Billion-US-Dollar-Marke und zum anderen konnten sie im Vergleich zu den Familienunternehmen aus den anderen Regionen ihre durchschnittlichen Umsätze am stärksten steigern, und zwar um 21 Prozent gegenüber dem letzten Index – ein Zeichen für die wirtschaftliche Stärke der Region. Dabei beheimatet – wie im vorherigen Index – Honkong mit 18 Firmen weiterhin die meisten familiengeführten Unternehmen.

Die europäischen Familienunternehmen knacken zum ersten Mal die 3-Billionen-US-Dollar-Marke – und Deutschland belegt Platz 2 beim Umsatz

Etwas mehr als die Hälfte (50,4 Prozent) der im Family Business Index 2023 notierten Unternehmen ist in Europa, dem Nahen Osten, Indien und Afrika (EMEIA) beheimatet. Gemeinsam erzielten diese Unternehmen einen Umsatz von 3,46 Billionen US-Dollar, was 43,2 Prozent des Gesamtwerts aller im Index gelisteten Familienunternehmen entspricht. Dabei schaffte Indien in diesem Jahr zum ersten Mal den Sprung in die Top 10 der größten Familienunternehmen, indem der Mischkonzern Reliance Industries vom zwölften auf den zehnten Platz kletterte und damit die Champions League enterte. Darüber hinaus leistet Indien – gemessen am Gesamtumsatz seiner Unternehmen (364,6 Milliarden US-Dollar) – den viertgrößten Beitrag zum Index. 

Die deutschen Familienunternehmen behaupten ihre starke Position im internationalen Vergleich – wachsen allerdings langsamer als die Unternehmen aus Asien und den USA

Wie im vorherigen Family Business Index konnte Deutschland auch im aktuellen seine starke Position als „Heimat der Familienunternehmen“ behaupten: Insgesamt 78 der Top-500-Familienunternehmen sind hier zu Hause; nur die USA stellen mit ihren insgesamt 118 mehr Familienunternehmen im aktuellen Index. Die 78 deutschen Familienunternehmen erzielten einen Gesamtumsatz von 1,13 Billionen US-Dollar und beschäftigen insgesamt 3,35 Millionen Menschen.

Das Durchschnittsalter der deutschen Familienunternehmen liegt bei 109 Jahren. Gleichzeitig ist in Deutschland mit dem Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck KGaA das älteste europäische Unternehmen des Index ansässig. Darüber hinaus gehören die Schwarz Handelsgruppe und der Autobauer BMW zu den Top 10 der größten Familienunternehmen weltweit. Zusammen mit dem Autozulieferer Bosch sind diese drei Unternehmen zugleich die umsatzstärksten Familienunternehmen Europas.

Die deutschen Top-500-Familienunternehmen wuchsen im Durchschnitt  um 6 Prozent gegenüber dem 2021er Index und weisen damit ein etwas geringeres Wachstum auf als die Vergleichsunternehmen aus den USA und Asien. Dies liegt mit daran, dass die deutschen Unternehmen zum großen Teil im Industrie-Sektor aktiv sind, wo hohe Wachstumsraten eher selten sind. Demgegenüber sind viele amerikanische und asiatische Top-500-Familienunternehmen in der Konsumgüter- oder Technologiebranche tätig, die sich insgesamt dynamischer entwickeln.

Frauen sind unterrepräsentiert – und die Nachfolge ist ein großes Zukunftsthema

Wenn es um die Frage geht, ob Frauen oder Männer in den Führungsetagen das Sagen haben, gibt es noch viel Nachholbedarf: Nur 23 Prozent aller Vorstands- bzw. Geschäftsführungspositionen der Top-500-Familienunternehmen sind von Frauen besetzt; die Rolle des CEO wird sogar nur bei 6 Prozent aller Unternehmen im Index von einer Frau bekleidet. In Deutschland liegt dieser Anteil mit 5 Prozent sogar leicht darunter.

Ev Bangemann, Mitglied der Geschäftsführung von EY Deutschland und Managing Partner Markets bei EY Deutschland, sieht an dieser Stelle Handlungsbedarf: „Das Top-Management der meisten Familienunternehmen ist nach wie vor eine Männerdomäne. Das ist nicht mehr zeitgemäß, vor allem vor dem Hintergrund des anhaltenden Talentemangels und der immer komplexer werdenden geschäftlichen Herausforderungen, die nur durch ein Denken aus verschiedenen Perspektiven erfolgreich gemeistert werden können.“ Auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern könne die mangelnde Vielfalt an der Unternehmensspitze zum Problem werden: „Für Unternehmen wird es beim Werben um Fachkräfte immer wichtiger, dass es weibliche Vorbilder in der Führungsetage gibt.“, so Ev Bangemann. „Hier drohen viele Familienunternehmen, den Anschluss zu verpassen.“

Ev Bangemann, Mitglied der Geschäftsführung von EY Deutschland und Managing Partner Markets

Nur 23 Prozent aller Vorstands- bzw. Geschäftsführungspositionen der Top-500-Familienunternehmen sind von Frauen besetzt; die Rolle des CEO wird sogar nur bei 6 Prozent aller Unternehmen im Index von einer Frau bekleidet.

Die „Next Gen“ ist in den Top-500-Familienunternehmen unterrepräsentiert – und über die Hälfte der Unternehmen setzt auf Fremdmanager

Für die meisten der Top-500-Familienunternehmen ist aber nicht nur die fehlende Gleichstellung von Frauen und Männern ein großes Thema, sondern auch das Durchschnittsalter der Familienmitglieder in den Führungsetagen, das in Deutschland bei etwa 57 Jahren und weltweit sogar bei über 60 Jahren liegt. Und mehr als drei Viertel (79 Prozent) aller im aktuellen Family Business Index gelisteten Familienunternehmen müssen damit klarkommen, dass in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied 40 Jahre oder jünger ist.

„Das ist ein echtes Problem“, sagt Wolfgang Glauner, Leiter Family Business dazu, „denn die junge Generation ist mit den Wünschen und Konsumgewohnheiten der eigenen Altersgruppe vertraut, besitzt die heute unbedingt notwendigen digitalen Skills und bringt einfach neue Ideen ins Unternehmen. Fehlt dieser Input, kann die Innovationskraft des ganzen Unternehmens darunter leiden.“

Wolfgang Glauner, Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen | Deutschland

Wolfgang Glauner, Leiter der Marktaktivitäten Familienunternehmen | Deutschland

Das relativ hohe Alter der Now Generation in den Familienunternehmen und die gleichzeitige Problematik, dass die Next Generation eigene Wege gehen will oder sich noch nicht klar für die Nachfolge entschieden hat, ist auch ein Grund für die auffallend hohe Zahl von Fremdmanagern in den Unternehmen. So wird etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller im aktuellen Index gelisteten Familienunternehmen ganz oder teilweise von einem CEO gelenkt, der nicht zur Familie gehört. In Deutschland ist diese Zahl mit 64 Prozent sogar noch deutlich höher, was aber nicht allein mit dem hohen Alter der hiesigen Unternehmen zu erklären ist. Die große Zahl der Fremdmanager ist auch ein Indiz für das neue Rollenverständnis der Next Generation und die Nachfolgeproblematik, die viele Familienunternehmen in Deutschland haben. Insofern stellt das Fremdmanagement auch eine mögliche Lösung dar. Denn es ermöglicht der Nachfolgegeneration, in der Unternehmerfamilie andere Rollen wahrzunehmen, beispielsweise Aufgaben im Beirat bzw. Aufsichtsrat oder im Family Office.

Mehr als die Hälfte der Top-500-Familienunternehmen ist börsennotiert – in Deutschland sind es weniger als 20 Prozent

Die Dynamik, Agilität und gleichzeitige Kontinuität im Handeln der Familienunternehmen wird oft damit erklärt, dass sie über eine hohe Eigenkapitalausstattung verfügen und dabei nicht vom Kapitalmarkt abhängig sind, somit bei ihren Entscheidungen auch nicht auf kurzfristige Quartalszahlen und Aktionärserwartungen angewiesen sind. Dieser Gedanke trifft jedoch primär auf deutsche Familienunternehmen zu. So ist über die Hälfte aller im Family Business Index 2023 aufgeführten Familienunternehmen an der Börse gelistet; im Asien-Pazifik-Raum sind sogar 86 Prozent der Top-500-Familienunternehmen börsennotiert. Allein in Deutschland sind es deutlich weniger, nämlich nur 18 Prozent.

„Mehr als drei Viertel der Familienunternehmen müssen damit klarkommen, dass in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied 40 Jahre oder jünger ist. Das ist ein echtes Problem. Denn die junge Generation bringt neue Ideen ins Unternehmen. Fehlt dieser Input, kann die Innovationskraft des ganzen Unternehmens darunter leiden.“

Der Blick nach vorn

Familienunternehmen denken und handeln langfristig, zeichnen sich aber gleichzeitig durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus. Gerade das hat sie in den vergangenen Jahren, in denen eine Krise auf die andere gefolgt ist und sie enorme Herausforderungen meistern mussten, so resilient gemacht. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Unternehmen die anstehenden Aufgaben wie die digitale Transformation und die Vernetzung mit anderen Unternehmen anpacken, um so weiterhin innovativ sein zu können“, resümiert Wolfgang Glauner. „Dazu gehört es auch, die Next-Gen-Herausforderung und die Geschlechterparität in den Führungsetagen anzugehen.“ Aber auch die Politik ist gefordert. Sie muss ein Umfeld schaffen, das die Wettbewerbsfähigkeit der Familienunternehmen nicht schwächt, sondern im Gegenteil stärkt und langfristige Investitionsperspektiven eröffnet. „Dann werden die Familienunternehmen das bleiben, was sie sind“, so Wolfgang Glauner, „das entscheidende Rückgrat der Wirtschaft – in Deutschland und weltweit.“

Über den Global Family Business Index

Der Global Family Business Index wurde in diesem Jahr zum vierten Mal gemeinsam von der Universität St. Gallen und EY herausgegeben. Der Index listet die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen weltweit, die seit mindestens zwei Generationen von einer Familie geführt werden.

Business people and girl looking at shining tablet in office

Podcast Zukunft Familienunternehmen

Disruption. Transformation. Resilienz.

In unseren gemeinsamen Podcasts mit dem Lehrstuhl für Familienunternehmen der WHU - Otto Beisheim School of Management behandeln wir Top-Themen, mit denen sich der Mittelstand und Familienunternehmen im Zeitalter der Disruption auseinandersetzen müssen. Zusammen mit erfolgreichen Familienunternehmen diskutieren wir, worauf es ankommt, damit die Transformation gelingt.

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Fazit

Der aktuelle Family Business Index 2023 zeigt, dass die Top-500-Familienunternehmen schneller wachsen als die Weltwirtschaft. Trotz aller globalen Krisen steigerten sie ihre Umsätze gegenüber dem 2021er Index um 14 Prozent und erzielten einen Gesamtumsatz von 8,02 Billionen US-Dollar, wobei die Unternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum am stärksten wuchsen. Deutschland belegt mit insgesamt 78 Top-500-Familienunternehmen nach den USA Platz 2 im Ranking. Das Durchschnittsalter der deutschen Familienunternehmen liegt bei 109 Jahren, wobei das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck auch das älteste europäische Unternehmen ist. In Sachen Gleichberechtigung gibt es aber noch großen Handlungsbedarf. Gerade einmal 6 Prozent aller Unternehmenschefs weltweit sind Frauen.

Über diesen Artikel

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.