Nur 23 Prozent aller Vorstands- bzw. Geschäftsführungspositionen der Top-500-Familienunternehmen sind von Frauen besetzt; die Rolle des CEO wird sogar nur bei 6 Prozent aller Unternehmen im Index von einer Frau bekleidet.
Die „Next Gen“ ist in den Top-500-Familienunternehmen unterrepräsentiert – und über die Hälfte der Unternehmen setzt auf Fremdmanager
Für die meisten der Top-500-Familienunternehmen ist aber nicht nur die fehlende Gleichstellung von Frauen und Männern ein großes Thema, sondern auch das Durchschnittsalter der Familienmitglieder in den Führungsetagen, das in Deutschland bei etwa 57 Jahren und weltweit sogar bei über 60 Jahren liegt. Und mehr als drei Viertel (79 Prozent) aller im aktuellen Family Business Index gelisteten Familienunternehmen müssen damit klarkommen, dass in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied 40 Jahre oder jünger ist.
„Das ist ein echtes Problem“, sagt Wolfgang Glauner, Leiter Family Business dazu, „denn die junge Generation ist mit den Wünschen und Konsumgewohnheiten der eigenen Altersgruppe vertraut, besitzt die heute unbedingt notwendigen digitalen Skills und bringt einfach neue Ideen ins Unternehmen. Fehlt dieser Input, kann die Innovationskraft des ganzen Unternehmens darunter leiden.“
Das relativ hohe Alter der Now Generation in den Familienunternehmen und die gleichzeitige Problematik, dass die Next Generation eigene Wege gehen will oder sich noch nicht klar für die Nachfolge entschieden hat, ist auch ein Grund für die auffallend hohe Zahl von Fremdmanagern in den Unternehmen. So wird etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller im aktuellen Index gelisteten Familienunternehmen ganz oder teilweise von einem CEO gelenkt, der nicht zur Familie gehört. In Deutschland ist diese Zahl mit 64 Prozent sogar noch deutlich höher, was aber nicht allein mit dem hohen Alter der hiesigen Unternehmen zu erklären ist. Die große Zahl der Fremdmanager ist auch ein Indiz für das neue Rollenverständnis der Next Generation und die Nachfolgeproblematik, die viele Familienunternehmen in Deutschland haben. Insofern stellt das Fremdmanagement auch eine mögliche Lösung dar. Denn es ermöglicht der Nachfolgegeneration, in der Unternehmerfamilie andere Rollen wahrzunehmen, beispielsweise Aufgaben im Beirat bzw. Aufsichtsrat oder im Family Office.
Mehr als die Hälfte der Top-500-Familienunternehmen ist börsennotiert – in Deutschland sind es weniger als 20 Prozent
Die Dynamik, Agilität und gleichzeitige Kontinuität im Handeln der Familienunternehmen wird oft damit erklärt, dass sie über eine hohe Eigenkapitalausstattung verfügen und dabei nicht vom Kapitalmarkt abhängig sind, somit bei ihren Entscheidungen auch nicht auf kurzfristige Quartalszahlen und Aktionärserwartungen angewiesen sind. Dieser Gedanke trifft jedoch primär auf deutsche Familienunternehmen zu. So ist über die Hälfte aller im Family Business Index 2023 aufgeführten Familienunternehmen an der Börse gelistet; im Asien-Pazifik-Raum sind sogar 86 Prozent der Top-500-Familienunternehmen börsennotiert. Allein in Deutschland sind es deutlich weniger, nämlich nur 18 Prozent.
„Mehr als drei Viertel der Familienunternehmen müssen damit klarkommen, dass in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied 40 Jahre oder jünger ist. Das ist ein echtes Problem. Denn die junge Generation bringt neue Ideen ins Unternehmen. Fehlt dieser Input, kann die Innovationskraft des ganzen Unternehmens darunter leiden.“
Der Blick nach vorn
Familienunternehmen denken und handeln langfristig, zeichnen sich aber gleichzeitig durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus. Gerade das hat sie in den vergangenen Jahren, in denen eine Krise auf die andere gefolgt ist und sie enorme Herausforderungen meistern mussten, so resilient gemacht. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Unternehmen die anstehenden Aufgaben wie die digitale Transformation und die Vernetzung mit anderen Unternehmen anpacken, um so weiterhin innovativ sein zu können“, resümiert Wolfgang Glauner. „Dazu gehört es auch, die Next-Gen-Herausforderung und die Geschlechterparität in den Führungsetagen anzugehen.“ Aber auch die Politik ist gefordert. Sie muss ein Umfeld schaffen, das die Wettbewerbsfähigkeit der Familienunternehmen nicht schwächt, sondern im Gegenteil stärkt und langfristige Investitionsperspektiven eröffnet. „Dann werden die Familienunternehmen das bleiben, was sie sind“, so Wolfgang Glauner, „das entscheidende Rückgrat der Wirtschaft – in Deutschland und weltweit.“
Über den Global Family Business Index
Der Global Family Business Index wurde in diesem Jahr zum vierten Mal gemeinsam von der Universität St. Gallen und EY herausgegeben. Der Index listet die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen weltweit, die seit mindestens zwei Generationen von einer Familie geführt werden.
Fazit
Der aktuelle Family Business Index 2023 zeigt, dass die Top-500-Familienunternehmen schneller wachsen als die Weltwirtschaft. Trotz aller globalen Krisen steigerten sie ihre Umsätze gegenüber dem 2021er Index um 14 Prozent und erzielten einen Gesamtumsatz von 8,02 Billionen US-Dollar, wobei die Unternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum am stärksten wuchsen. Deutschland belegt mit insgesamt 78 Top-500-Familienunternehmen nach den USA Platz 2 im Ranking. Das Durchschnittsalter der deutschen Familienunternehmen liegt bei 109 Jahren, wobei das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck auch das älteste europäische Unternehmen ist. In Sachen Gleichberechtigung gibt es aber noch großen Handlungsbedarf. Gerade einmal 6 Prozent aller Unternehmenschefs weltweit sind Frauen.