Für Unternehmen kann es sich lohnen, ihre Innovationsprozesse auch auf einen längeren Horizont auszurichten als auf die oft üblichen zwei bis fünf Jahre. Nicht zuletzt hilft die Sensibilisierung für anstehende Veränderungen dabei, sich frühzeitig Gedanken über innovative Ideen, neue Vertriebswege und die richtigen Produkte zu machen.
Eine Pandemie ist ein extremes Beispiel. Andere Szenarien lassen sich deutlich besser durchspielen. Und für Unternehmen kann es sich lohnen, ihre Innovationsprozesse auch auf einen längeren Horizont auszurichten als auf die oft üblichen zwei bis fünf Jahre. Neben der strategischen Ausrichtung kann auch über Weiterentwicklungen im Produktportfolio nachgedacht werden. Nicht zuletzt hilft die Sensibilisierung für anstehende Veränderungen also dabei, sich frühzeitig Gedanken über innovative Ideen, neue Vertriebswege und die richtigen Produkte zu machen.
Beim Konsumgüterhersteller Henkel hat sich der Bereich Beauty Care diese Aufgabe für den Megatrend Nachhaltigkeit vorgenommen. Produkt- und Prozessinnovation gehören hier selbstverständlich zum Alltag. Doch der Blick ist dabei vor allem anwendungsorientiert, also kurz- bis mittelfristig. Forscher, Designer und Marketing-Manager suchen konkrete Lösungen für die Kundenbedürfnisse in den kommenden zwei bis fünf Jahren.
Doch wie lässt sich ein Blick in Konsumentenanforderungen über 2025 oder 2030 hinaus gewinnen? Welche großen Trends zeichnen sich schon heute in Form von „weak signals“ ab? Wie könnte sich das wirtschaftliche Umfeld verändern? Ist es überhaupt möglich, sich angesichts der Unsicherheit sinnvoll vorzubereiten?
Ein klar strukturierter Prozess, inspiriert durch zahlreiche Stakeholder
Bei dem umfassenden Blick voraus wurde Henkel Beauty Care von EY unterstützt. Am Anfang stand dabei eine offene Ideensammlung in Form von ausführlichen Gesprächen mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Interessenvertreter – Verbraucher und Händler, Produktionsexperten und Grundlagenforscher, Entwickler und Trendscouts.
Agenda für die nächste Dekade
50Themen haben Diskussionsrunden und Befragungen ergeben. Am Ende konzentrierte sich Henkel auf das Schwerpunktthema Nachhaltigkeit.
Rund 50 Trends haben diese Diskussionsrunden und Befragungen ergeben – zu viele, um sinnvoll jeden einzelnen unter die Lupe zu nehmen. So wurde gewichtet, sortiert, erneut diskutiert. Eine Handvoll Schwerpunktthemen für die nächste Dekade ist übrig geblieben. Nachhaltigkeit und zugehörige Subtrends waren dabei die Spitzenreiter, die sich der Konzern im Rahmen eines Pilotprojekts für die genauere Betrachtung vorgenommen hat.
Um das vielseitige Thema auf die konkrete Arbeit von Henkel herunterzubrechen, wurden zunächst sogenannte „Tridems“ gebildet, crossfunktionale Dreierteams mit dem Auftrag, wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit für Kosmetik und Pflegeprodukte zu filtern – von neuen Inhaltsstoffen über Verpackungen bis hin zu Anreizsystemen für die Verbraucher.
Diskussionen anstoßen, Ideen entwickeln
Eine wichtige Bedingung für die Besetzung der Tridems war, dass hier Personen aus unterschiedlichen Funktionsbereichen des Konzerns zusammentreffen sollten – zum Beispiel je ein Vertreter aus Verpackung, Marketing sowie Forschung und Entwicklung. So wurden Kollegen neu miteinander vernetzt und in den Themenbereich involviert, die vorher nicht Teil des Core-Sustainability-Teams waren. So konnte sich das Team ganz offen den neuen Themenbereichen zuwenden, ohne durch das tägliche Geschäft beeinflusst zu sein. Die drei Beteiligten brachten auch unterschiedliche Sichtweisen und Schwerpunkte ein, um von vornherein eine möglichst ganzheitliche Bewertung der Trends und Ideen zu ermöglichen. Im nächsten Schritt konnten sie die Erkenntnisse auch besser in ihren angestammten Funktionen vermitteln und somit für ihre Ideen Begeisterung wecken.
Statt sich nur auf ihr eigenes Wissen und ihre Erfahrungen zu verlassen, haben die Tridems Kollegen aus weiteren Abteilungen hinzugezogen, externe Experten befragt, Marktrecherchen angestoßen oder strukturierte Interviews mit unterschiedlichen Interessenvertretern geführt. So ergaben sich immer wieder neue Denkanstöße und Anregungen.
Mögliche Trends und Veränderungen konnte das Tridem durch die intensive Auseinandersetzung aufbereiten und sie für die Kollegen und Vorgesetzten verständlich machen. Es entstanden Cluster von Themen, die Trends wurden greifbarer, im besten Fall zeichneten sich Ansätze für eine Vorbereitung darauf ab.
Im Fokus stehen nicht konkrete neue Produkte oder Prozesse; vielmehr geht es darum, das Unternehmen für große Trends zu sensibilisieren.
Beispiel Verpackungen: Innovative Plastikvarianten, smartes Abfallmanagement, Designlösungen für eine Kreislaufwirtschaft oder die Motivation für nachhaltiges Verhalten der Kunden gehören zu den ersten Ideen, die die Dreierteams entwickelt haben.
Andere Ideen wurden zunächst zurückgestellt, etwa plastikzersetzende Bakterien oder Inhaltsstoffe, die komplett im Labor erzeugt werden können. Mit beiden Ansätzen wird in der Forschung allerdings bereits experimentiert, Nachhaltigkeitsprobleme lassen sich damit „anpacken“. Für konkrete Produktions- und Entsorgungslösungen kommen sie beim aktuellen Stand der Forschung noch nicht infrage, sie sind aber auf dem „Trend-Radar“ registriert, sodass bei Bedarf doch in diesen Bereich investiert werden könnte. Deshalb kann es sich lohnen, auch solche Ansätze im Rahmen von „Was wäre, wenn …“-Szenarien zu untersuchen – die Pandemie lässt grüßen!
Leidenschaft für Nachhaltigkeit
Eine der Erfahrungen aus dem Pilotprojekt: Am besten funktionieren Tridems, wenn auch Kollegen beteiligt sind, die nicht selbst im Nachhaltigkeitsbereich arbeiten – das beugt der Gefahr des „Tunnelblicks“ vor. Sie sollten dem Thema aber offen und interessiert gegenüberstehen und Leidenschaft dafür mitbringen. Den letzten Aspekt haben die hitzigen Diskussionen der Teams immer wieder untermauert.
Um die Zukunftsvisionen wieder näher an die Geschäftsbereiche zu holen, war im nächsten Schritt die Rückkopplung wichtig. Themen und Ideen wurden kategorisiert, den Verantwortlichen erläutert und Auswirkungen diskutiert. Steht die Veränderung für den Einzelnen oder für die Gesellschaft im Vordergrund? Welche Bereiche, von der Forschung über die Logistik bis in den Vertrieb, könnten von dem Schritt betroffen sein?
Dabei ging es noch nicht um konkrete Lösungen, aber doch um Ideen für mögliche Anwendungsbereiche im Unternehmen, um künftige Geschäftsmodelle, die sich aus den Trends destillieren lassen.
Nachhaltig gerüstet in die Zukunft
Übrig geblieben sind aus 80 Anfangsideen am Ende eine Handvoll Projekte, die im Konzern weiter verfolgt werden. Doch auch die anderen Ideen sind nicht vergessen. Sie tragen ebenfalls dazu bei, Bewusstsein für Veränderung zu schaffen. Henkel Beauty Care plant, den Prozess in ähnlicher Form regelmäßig zu wiederholen, um für Nachhaltigkeit – und andere Trends – so sensibel wie möglich zu bleiben.
Ideenpool
80Anfangsideen waren es, am Ende blieb eine Handvoll Projekte übrig, die weiter verfolgt werden.
Sicher ist: Nachhaltigkeit wird auch in zehn Jahren noch ein entscheidendes Thema sein, mit anderen Schwerpunkten und vielen neuen Möglichkeiten. Henkel Beauty Care fühlt sich dank des strukturierten Blicks in die Zukunft für diese Veränderungen gut gerüstet.
Fazit
Innovation ist bei vielen Unternehmen auf konkrete Projekte in der nahen Zukunft ausgerichtet. Doch langfristige gesellschaftliche Trends wie Nachhaltigkeit verlangen nach anderen Herangehensweisen. Gemeinsam mit EY hat der Konsumgüterhersteller Henkel im Bereich Beauty Care daher ein Innovationsprojekt aufgesetzt, bei dem nicht konkrete neue Produktentwicklungen im Vordergrund stehen, sondern es vielmehr darum geht, zahlreiche Informationen und Sichtweisen zu möglichen Ausprägungen von Nachhaltigkeit zusammenzubringen, zu strukturieren und die Mitarbeitenden so für die zunehmende Bedeutung zu sensibilisieren. Schließlich sollen Bereiche, mit denen sich eine intensivere Beschäftigung lohnt, identifiziert werden.