Kapitel 1
Vernetzte Wertschöpfung in digitalen Ökosystemen
Die Digitalisierung verändert immer mehr die klassischen Wirtschaftssysteme und deren Wertschöpfung.
Die Art und Weise, wie Wertschöpfung im digitalen Zeitalter betrieben wird, basiert zunehmend auf der Verknüpfung von Software mit der Hardware. Es gibt zwei mögliche Strategien: einerseits die Monopolisierung der Wertschöpfung durch Beherrschung und Besitz der zentralen Elemente und andererseits die intelligente Vernetzung von Wertschöpfungselementen in immer komplexer werdenden Ökosystemen. Ersteres erfordert natürlich ein breites Know-how, viel Kapitaleinsatz und auch eine Portion Glück bei der Wahl der langfristigen Unternehmensstrategie. Das haben die wenigsten Unternehmen. Der deutsche Mittelstand besitzt zwar wertvolles Industriewissen, aber die finanziellen Ressourcen sind begrenzt und Glück ist schlecht planbar. Das Mittel der Wahl sollte gerade für den Mittelstand die Teilnahme an einer vernetzten Wertschöpfung sein.
Die Wertschöpfung der Zukunft ist global und digital
Vernetzte Wertschöpfung findet in sogenannten digitalen Ökosystemen auf globalem Level statt. Vorbild sind meistens US-amerikanische und asiatische Unternehmen im B2C-Segment, die durch intelligente Vernetzung von Produzenten mit Konsumenten sowie materiellen und immateriellen Produkten erfolgreiche Geschäftsmodelle etabliert haben. Diese Logik wird zunehmend für den B2B-Bereich erfolgsentscheidend. Und es gibt in Deutschland bereits erfolgreiche Vorbilder – darunter ein Stahlhändler, der einen digitalen Marktplatz für den Stahlmarkt entwickelt hat, mit dem das Unternehmen heute schon Umsätze in Milliardenhöhe erzielt.
Für den Mittelstand bedeutet das: Um auch in Zukunft eine führende Rolle im internationalen Markt zu spielen, sollte er endlich aktiv werden und die traditionellen Mechanismen der Wertschöpfung hinterfragen und sie der Vernetzung in Ökosystemen anpassen.
Der deutsche Mittelstand sollte endlich aktiv werden und die traditionellen Mechanismen der Wertschöpfung hinterfragen.
Als Ökosystem im klassischen wirtschaftlichen Kontext wird die Gemeinschaft aller wertschöpfenden Akteure in einer Branche und in ihrer Beziehung zueinander verstanden. Im Zeitalter der Digitalisierung verschwimmen klar definierte Branchen; sie werden zunehmend dynamischer und damit immer komplexer. Maßgeblich getrieben wird diese Entwicklung durch veränderte Kundenwünsche und fortschreitende technologische und gesellschaftliche Entwicklungen.
Kundenbedürfnisse werden unberechenbarer, weil sie sich immer stärker individualisieren. Diese zu bedienen erfordert maßgeschneiderte Produkte und Werteversprechen aus branchenübergreifenden, neuen Produkt-Service-Systemen außerhalb der klassischen Wertschöpfungsketten. Einzelne Unternehmen sind immer weniger in der Lage, dies wirtschaftlich skalierbar zu bewältigen. Daher ist das übergeordnete Ziel eines aufkommenden „digitalen“ Ökosystems für die wertschöpfenden Akteure: die Überwindung komplexer dynamischer Herausforderungen auf eine skalierbare und effiziente Art und Weise.
Kapitel 2
B2B-Plattformen: Austausch über traditionelle Wege hinaus
Logistik, Vertrieb, Immobilien: In vielen Branchen hat der Wandel bereits begonnen.
Bis 2025 sollen in diesen neuen Ökosystemen 30 Prozent der weltweiten Einnahmen generiert werden. Vor allem im B2C-Segment gibt es bereits zahlreiche Beispiele, während Ökosysteme im B2B-Bereich noch früh in der Entstehungsphase sind. Und doch lassen sich in fast jeder Branche bereits Indikatoren für diesen Wandel erkennen. Das ist etwa im Logistikbereich der Fall, in dem sich über 10.000 Unternehmen der verschiedenen Wertschöpfungsstufen – Produzenten, Händler, Transporteure und Zoll – über eine Plattform vernetzen lassen, um den Warenfluss effizient und transparent zu organisieren.
Sprudelnde Einnahmequelle
30 %der weltweiten Einnahmen sollen bis 2025 in diesen neuen Ökosystemen generiert werden.
Vertriebsplattformen orchestrieren Anbieter und Nachfrager über traditionelle branchenspezifische Lieferketten hinaus. Die Plattformen wurden Schritt für Schritt mit 100-prozentiger Fokussierung auf den Nutzen sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager aufgebaut. Ein weiteres Beispiel: In der gewerblichen Immobilien- und Bauwirtschaft finden sich Ansätze, über die intelligente Vernetzung von Angeboten innerhalb eines Ökosystems alles aus einer Hand anzubieten – von der Finanzierung über den Erwerb bis zur Renovierung und Einrichtung.
Plattformen als Ausgangspunkt für digitale Ökosysteme
Die meisten Ansätze nutzen dabei denselben Ausgangspunkt für den Aufbau und Betrieb eines digitalen Ökosystems: eine digitale Plattform. Die digitale Plattform vernetzt das Ökosystem in den Aktivitäten der Anbieter und Nachfrager auf passender Technologiebasis. Die Plattform ist das Instrument, um das komplexe dynamische System aus Kundenbedürfnissen und passenden Angeboten zu orchestrieren und abzuwickeln, denn sie bindet Partner, die den Austausch unterstützen und zusätzliche Dienstleistungen bereitstellen, wertstiftend ein. Das können etwa Zulieferer, Zahlungsanbieter oder Logistiker sein. Nach und nach knüpft die Plattform mit ergänzenden Produkten branchenübergreifend ein Gesamtsystem und kann dadurch ein Spektrum von Kundenbedürfnissen befriedigen. Den weiteren Ausbau und das Zusammenspiel von Anbietern, Nachfragern und weiteren Partnern optimiert der Plattformbetreiber.
Eigene Plattform oder Partnerschaft – was eignet sich für wen?
Für Unternehmen gilt es gerade jetzt, die Plattformökonomie aktiv für sich zu nutzen und sich frühzeitig an der richtigen Stelle im digital vernetzten Ökosystem zu positionieren. Dabei geht es erst einmal nur um „Positionierung”, weil nicht jedes Unternehmen gleich zum Betreiber und Dirigenten einer digitalen Plattform werden muss oder überhaupt werden kann. Es ist ein Trugschluss, dass hier immer der größte Umsatzerfolg steckt. Für Unternehmen mit sehr guter Marktposition, einem breiten Know-how und einem großen Kapitaleinsatz mag der Aufbau einer eigenen Plattform das Mittel der Wahl sein; für kleinere Unternehmen, beispielsweise aus dem Mittelstand, geht es jedoch vielmehr darum, auf Kooperationen mit Plattformen zu setzen und so an der richtigen Stelle im digitalen Ökosystem mitzuwirken – immer mit dem Ziel, dem eigenen Kunden den größten Mehrwert zu bieten.
Kapitel 3
Die Entwicklung der eigenen Ökosystemstrategie
Digitale Plattformen mit den richtigen Partnerschaften tragen zu einer optimalen Kundenerfahrung bei.
Unternehmen sollten sich zunächst klar darüber werden, wo sie im eigenen Ökosystem stehen, welche Positionierung im Umgang mit Plattformen sinnvoll für sie ist und welche Anpassungen des eigenen Geschäftsmodells und der eigenen Services gegebenenfalls erforderlich sind. Denn die Digitalisierung führt dazu, dass sich Kunden zunehmend personalisierte und individuelle Angebote, oftmals komplexe Produkt-Service-Leistungen sowie unbegrenzt verfügbare Informationen und Services wünschen. Unternehmen können diesem Anspruch letztendlich nur über digitale Plattformen und die richtigen Partnerschaften mit anderen Anbietern genügen. Den Übergang zu einem digital gesteuerten Geschäftsmodell zu schaffen ist nicht nur wichtig, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen – es ist überlebenswichtig.
Digitalisierung: Inkrementell starten und erst dann radikaler werden
Durch eine Analyse des eigenen Ökosystems können Unternehmen Potenziale identifizieren, indem sie diese Fragen für sich beantworten:
- Welche Synergien und Marktchancen sehe ich als Unternehmen, um die eigenen Fähigkeiten und Unternehmenswerte mit denen anderer zu verbinden, um Kundenwünsche bestmöglich zu bedienen?
- Sollte ich besser Betreiber oder Teilhaber an einer digitalen Plattform sein?
- Eignet sich für mein Geschäftsvorhaben besser eine Transaktionsplattform, also ein digitaler Marktplatz für industrielle Güter, oder eine Technologie- beziehungsweise Datenplattform im Kontext des Internet Of Things?
Aus den Ergebnissen lassen sich dann konkrete Handlungsoptionen ableiten. Diese hängen klar vom jeweiligen Digitalisierungsgrad eines Unternehmens ab. Grundsätzlich empfiehlt es sich bei der Umsetzung aber, inkrementell zu starten und erst dann radikaler zu werden. Das bedeutet konkret, dass zunächst Prozesse digitalisiert, automatisiert und optimiert werden sollten. Erst dann geht es an die Positionierung im Ökosystem und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Wichtig ist aber auch: Die Veränderungen der Ökosysteme sollten so weit wie möglich abgeschätzt und die eigene Plattformstrategie daran ausgerichtet werden, um sie flexibel und fortlaufend anpassen zu können. Ökosysteme ändern sich kontinuierlich und Unternehmen müssen hier „mitwachsen“.
Plattformen fördern die Kundenzufriedenheit und steigern die Gewinne
Letztlich geht es immer darum, bestmöglich auf Kundenbedürfnisse zu reagieren, um dadurch den eigenen Umsatz zu steigern. Wenn dabei gleichzeitig Kosten gesenkt werden können, umso besser. Mit digitalen Plattformen schaffen Unternehmen beides: Indem sie sich mit anderen Partnern und Playern zusammentun, können sie ihren Kunden Produkte und Services noch individualisierter, personalisierter und flexibler anbieten und dadurch eine optimale Kundenerfahrung schaffen. Durch die digital vernetzte Wertschöpfung erhält der Kunde alles aus einer Hand, indem über eine Plattform zum Beispiel Serviceleistungen zusammen mit Produkten verkauft werden.
Prozesse sollten digitalisiert, automatisiert und optimiert werden. Erst dann geht es an die Positionierung im Ökosystem und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle.
Unternehmen können die Wertigkeit ihres eigenen Produkts oder Angebots also enorm steigern, indem sie es durch weitere Produktkategorien oder Dienstleistungen anderer Anbieter anreichern. Gleichzeitig sorgen eine höhere Transparenz und eine gesteigerte Effizienz von Plattformen dafür, dass Transaktionskosten sinken. Einige deutsche Unternehmen gehen beim Thema Plattformen bereits mit beeindruckendem Beispiel voran. Denn Plattformen werden zum dominierenden Geschäftsmodell des 21. Jahrhunderts: Ob als zentraler Betreiber einer Plattform, Anbieter, Partner oder in einer hybriden Rolle – für etablierte Unternehmen ist eine Plattform- und damit eine Ökosystemstrategie Voraussetzung, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.
Fazit
Digitale Ökosysteme, mit Plattformen als Instrument, werden zu einem festen Bestandteil der Unternehmenslandschaft. Ob als zentraler Betreiber, Anbieter, Partner oder in einer hybriden Rolle: Um sich im Zeitalter der vernetzten Wertschöpfung zukunftssicher aufzustellen, brauchen Unternehmen ein strategisches Plattformkonzept, sprich: Sie sollten die Entwicklung von Branchen und Märkten einschätzen können und ein tiefes Verständnis über potenziell relevante Ökosysteme und ihre Handlungsoptionen darin haben. Den Übergang zu einem digital gesteuerten Geschäftsmodell zu schaffen ist nicht nur notwendig, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen – es ist überlebenswichtig.