3 Minuten Lesezeit 7 April 2021
Geschäftsfrau schaut aus dem Fenster

Gleichstellung erst im nächsten Jahrhundert?

Von Helen Pelzmann

Leiterin “Women. Fast Forward“, Partnerin EY Law – Pelzmann, Gall, Größ Rechtsanwälte GmbH | Österreich

Leidenschaftliche Verfechterin von Gleichstellung und Inklusion. Verbringt ihre Freizeit gerne mit ihrem Mann und ihren Kindern beim Sport oder auf Reisen.

3 Minuten Lesezeit 7 April 2021

In Österreichs Vorstandsetagen sind weibliche Führungskräfte noch immer eine Rarität. Warum sich das ändern muss, zeigen zahlreiche Studien.

 

Wenn in unserem Nachbarland Deutschland am 26. September ein neuer Bundestag gewählt wird, werden zahlreiche junge Menschen zum ersten Mal von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Es wird die erste Bundestagswahl für eine Generation sein, die mit einer Frau als Bundeskanzlerin aufgewachsen ist. Eines dürfte damit schon jetzt klar sein: 15 Jahre Merkel haben für junge Menschen ein Mindset geschaffen, in dem ein weiblicher Staatschef normaler erscheint als ein männlicher Kanzler. Wirkt diese Grundhaltung über die Grenzen der politischen Einstellung hinaus, könnte damit die erste Generation aufwachsen, für die eine tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen keine Option, sondern Realität ist.

Und diese Gleichstellung ist längst überfällig: Aktuell stehen laut dem EY Mixed Leadership Barometer in den im Wiener Börse Index (WBI) notierten heimischen Unternehmen 15 weibliche Vorstandsmitglieder 175 männlichen gegenüber. Die meisten Frauen sind momentan in den Chefetagen in der Konsumgüterbranche anzutreffen, wo ihr Anteil bei 22,2 Prozent liegt. An zweiter Stelle folgt die IT-Branche (20 %) und an dritter Stelle die Finanzbranche (7,4 %). Erst darauf folgt die Industrie mit einem Frauenanteil von 7,1 Prozent. Branchenübergreifend ist der Frauenanteil bei Vorstandsmitgliedern in den österreichischen börsennotierten Unternehmen im letzten halben Jahr nur um eine Frau gestiegen. Nach wie vor ist in 41 von 55 österreichischen börsennotierten Unternehmen noch keine Frau im Vorstand vertreten. Wenn die Zahl der Frauen weiter im Tempo der letzten Jahre mit einem jährlichen Zuwachs von nur knapp mehr als einem halben Prozentpunkt steigt, werden möglicherweise erst im nächsten Jahrhundert 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer in den Vorstandsgremien sitzen.

Bei den Aufsichtsrät:innen ist die aktuelle Lage erfreulicher. Seitdem zum 1. Jänner 2018 die gesetzliche Genderquote von 30 Prozent in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien der österreichischen WBI-notierten Unternehmen deutlich und kontinuierlich von 19 auf 27,8 Prozent – ein neuer Höchststand. Bereits mehr als jedes vierte Aufsichtsratsmitglied der österreichischen WBI-Unternehmen ist aktuell eine Frau. In den Aufsichtsgremien sind damit 145 Frauen (27,8 %) und 376 Männer (72,2 %) vertreten. In 48 der 55 untersuchten Unternehmen gibt es aktuell mindestens eine Frau im Aufsichtsrat.

Obwohl die Quotenregelung vor der Einführung sehr kontrovers diskutiert wurde, hat sie ihre Wirkung nicht verfehlt. Seit der Einführung vor drei Jahren ist der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich gestiegen. Die Themen Diversität und Gleichstellung sind zudem nach oben an die Spitze der Unternehmensagenda befördert worden.

Obwohl Unternehmen immer mehr den Wert und die Notwendigkeit von vielfältig zusammengestellten Teams erkennen und auch wissen, dass sie im „War for Talents“ nicht auf Frauen verzichten können, scheuen sie diesen Veränderungsprozess noch in den obersten Leitungsfunktionen. Auch aufgrund des demografischen Wandels wird der Kampf um die besten Köpfe immer schonungsloser. Unternehmen mit weiblichen Führungskräften sind deutlich attraktiver für die weiblichen Kandidaten am Karrieremarkt.

Wie unterschiedliche Studien zeigen, hat die Corona-Pandemie zu einer verstärkten Rückkehr traditioneller und überholter Geschlechterstereotypen geführt. Um den Haushalt und Homeschooling haben sich vermehrt die Frauen in der Familie gekümmert, auch weil sie öfter in Teilzeitstellen arbeiten. Um dem entgegenzuwirken, können auch Unternehmen einiges beitragen. Dazu zählen unter anderem Modelle zur flexiblen Arbeitszeit und Home-Office-Lösungen, durch die sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen. Auch die Verringerung der Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern in gleicher Position muss aktiv vorangetrieben werden, denn wir werden nur dann Gleichstellung erreichen, wenn gleiche Leistung auch gleiche Anerkennung findet. Zudem müssen von Unternehmen auch Trainings für Frauen zur Förderung ihrer Karriere im Unternehmen angeboten werden. Zum Paket gehören ebenfalls Führungskräftetrainings zur Sensibilisierung der Thematik „Gleichstellung von Frauen“. Diese sollten auch gleich mit entsprechenden Zielen einhergehen, um die Förderung von Frauen aktiv nachzuverfolgen und zu stärken. Spezielle unternehmensinterne Netzwerke, aber auch die Förderung zur Teilnahme an externen Netzwerken, in denen sich Frauen aktiv austauschen, können ebenso zur positiven Weiterentwicklung der Karriere beitragen.

Fazit

Damit die Gleichstellung von Frauen und Männern gelingt, braucht es einen gemeinsamen Schulterschluss auf allen Ebenen – vor allem aber deutliche Fort-schritte und Maßnahmen seitens Politik und Wirtschaft. Von Diversität geprägte Führungsteams können für Unternehmen zu neuen Lösungen führen und die Innovationskraft steigern – ein wichtiger Faktor für den langfristigen Erfolg. 

Über diesen Artikel

Von Helen Pelzmann

Leiterin “Women. Fast Forward“, Partnerin EY Law – Pelzmann, Gall, Größ Rechtsanwälte GmbH | Österreich

Leidenschaftliche Verfechterin von Gleichstellung und Inklusion. Verbringt ihre Freizeit gerne mit ihrem Mann und ihren Kindern beim Sport oder auf Reisen.