Hybride Entsendungsmodelle, die nicht zwingend mit einem Umzug in das Gastland verbunden sind und somit die Attraktivität eines Auslandseinsatzes auch angesichts aktueller Gesundheitsbedenken der Beschäftigten erhöhen, können hier ergänzend zu den klassischen Formen der Mobilitätsstrategie der aktuellen Situation Rechnung tragen.
Erforderliche Strategien und mögliche künftige Entsendeformen
Wie können künftige Mobilitätsstrategien aussehen, die all diesen Entwicklungen Rechnung tragen?
Kurzfristige grenzüberschreitende Geschäftsreisen werden aus Kostengründen und auch aufgrund gesundheitlicher Risiken und aus Nachhaltigkeitsüberlegungen wohl in Zukunft noch detaillierter auf deren Notwendigkeit evaluiert und auf Grundlage der während der Pandemie gewonnenen Erfahrungswerte im Bereich des virtuellen Arbeitens wo immer möglich auch durch Letzteres ersetzt werden.
Für Geschäftsbereiche wie auch für länderübergreifende Prozesse und Projekte, die aufgrund des Sachverhalts nicht durch virtuelle Meetings/Konferenzen ersetzt werden können, sind nachfolgende Denkansätze zur Entsendungsvariante möglich.
Überall dort, wo es die Entfernung und Reiseverbindung zulässt, wäre eine Commutertätigkeit denkbar, bei der der/die Entsandte die Zeit unter der Woche am Einsatzort verbringt und am Wochenende an den Hauptwohnsitz, z. B. zur Familie, zurückehrt.
Bei längerfristigen Einsätzen bzw. Entfernungen zwischen Wohnsitz und Einsatzland, die ein Pendeln schlichtweg nicht möglich machen, wären beispielsweise wiederholte kurzfristige, schwerpunktmäßige Einsätze vor Ort denkbar, beginnend beim Projektstart und um Strukturen zu schaffen, die zwischenzeitlich auch eine virtuelle Koordination ermöglichen. Ein „letzter“ physischer Einsatz wäre am Ende des Projekts denkbar, um dieses erfolgreich abzuschließen.
Denkt man beispielsweise an die zentrale Rolle der Partner:innen und der Familie für den Erfolg einer Entsendung und an den verfügbaren Talent-Pool von Beschäftigten, die für Auslandseinsätze infrage kommen, könnten derartige Mischformen von Entsendungen durchwegs weitere Vorteile bringen. Mit der grundsätzlichen Möglichkeit, dass Partner:innen und Kinder im Heimatland bleiben, sinken nicht nur die Gesamtkosten einer Entsendung (z. B. durch wegfallende oder geringe Aufwände für Umzüge, Partner-Supply-Policy-Maßnahmen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulgelder im Einsatzland), sondern es vergrößert sich gleichzeitig der Pool potenziell infrage kommender Mitarbeiter:innen. Denn mit dem Wegfall eines zwingenden langfristigen Umzugs in das Gastland steigt für viele Talente auch die grundsätzliche Attraktivität einer Entsendung – für bereits vorhandene Mitarbeiter:innen wie auch für neu zu gewinnende Talente am Markt. Derartige hybride Entsendungsformen würden sowohl für Dienstgeber als auch Dienstnehmer:innen die notwendige und gewünschte Flexibilität bringen.
Letzendlich geht es nicht darum, alle bisherigen Modelle und Herangehensweisen vollständig zu ersetzen, sondern gerade in Zeiten schwer vorhersehbarer Entwicklungen für jeden Fall eine praxistaugliche Lösung zu implementieren.
Entwicklungsstufen neuer Entsendemodelle und relevante Stakeholder:innen
Zum zeitlichen Ablauf der Entwicklung neuer Entsendemodelle empfiehlt es sich, im ersten Schritt – auch unter Berücksichtigung der in den Unternehmen gemachten Erfahrungen während der Corona-Zeit – verschiedene Mobilitätsszenarien (die für die Beschäftigten zielführend wie auch möglich sind) zu entwickeln und im zweiten Schritt deren Vor- und Nachteile zu prüfen.
Während aus Perspektive des Unternehmens sicherzustellen ist, dass alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit geschaffen sind, gilt es auf Ebene der Mitarbeitenden, nicht nur deren Zufriedenheit zu erhöhen und somit Talente an Bord zu halten, sondern auch als attraktiver Arbeitgeber für neu zu gewinnende Talente in Erscheinung zu treten. Es ist wichtig, hier den Mittelweg zu finden: Wie weit kann man sich als Arbeitgeber bewegen, um den Beschäftigten entgegenzukommen und gleichzeitig nicht die Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen?
Was die hausinterne Kommunikation betrifft, ist zu empfehlen, diese erst nach eingehender Prüfung auf Erfüllung der unternehmensspezifischen Anforderungen sowie möglicher steuerlicher Themen zu starten.
Als relevante Stakeholder:innen sind selbstredend das Unternehmen selbst wie auch bereits bestehende Mitarbeiter:innen und potenzielle neue Talente zu sehen.
Unter diesen Gesichtspunkten steigt mit den Anforderungen der Global-Mobility-Teams in den Unternehmen in diesen herausfordernden Zeiten auch deren hausinterne Bedeutung. Für Mobility ergibt sich hier die große Chance, als wichtiger strategischer Partner der Geschäftsführung wahrgenommen zu werden.
Letzendlich geht es nicht darum, alle bisherigen Modelle und Herangehensweisen vollständig zu ersetzen, sondern gerade in Zeiten schwer vorhersehbarer Entwicklungen für jeden Fall eine praxistaugliche Lösung zu implementieren. Anders ausgedrückt: Die angeführten Mischvarianten können selbstverständlich auch neben den klassischen Entsendungsformen bestehen und diese ergänzen.
Ist man abschließend der Ansicht, dass sich die Bedürfnisse aller betroffenen Stakeholder:innen in ausreichender Form in den entwickelten neuen Entsendungsvarianten wiederfinden, bleibt als letzter aber essenzieller Schritt vor deren Implementierung, die aus ihnen resultierenden Fragen zur Sozial- und Krankenversicherung, zum Aufenthaltsrecht, zum Arbeitsrecht oder zur Steuerpflicht restlos zu klären und vollumfänglich zu kommunizieren.
Corona-bedingte Reiseeinschränkungen bringen auch nachhaltige Auswirkungen auf die Entsendepraxis international agierender Unternehmen, die auch weiterhin sicherstellen müssen, länderübergreifend die richtigen Mitarbeiter:innen am richtigen Ort zu haben. Physischer Einsatz vor Ort lässt sich allerdings auch in Zukunft nicht unbegrenzt durch virtuelles Arbeiten ersetzen.
Für die Global-Mobility-Bereiche in den Unternehmen gilt es, keine Zeit zu verlieren, um neue Entsendemodelle, die diesen komplexen Anforderungen gerecht werden, unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder:innen zu entwickeln und die bestehenden Mobility-Policies zukunftstauglich zu machen. Eine schwer abschätzbare Nachfrage nach mobilen Mitarbeiter:innen macht die Planung für Unternehmen noch komplexer.
Fazit
Hybride Entsendungsmodelle, die nicht zwingend mit einem Umzug in das Gastland verbunden sind und somit die Attraktivität eines Auslandseinsatzes auch angesichts aktueller Gesundheitsbedenken der Beschäftigten erhöhen, können hier ergänzend zu den klassischen Formen der Mobilitätsstrategie der aktuellen Situation Rechnung tragen.