Die Funktionen der Supply Chain sind dabei in ihrer gesamten Breite betroffen. Wesentliche Fähigkeiten und Charakteristika, die Supply Chains entwickeln müssen, sind die folgenden:
- Sicherstellung einer nachhaltigen und diversen Lieferantenlandschaft: Unter dem Stichwort Sustainable Procurement werden Modelle implementiert, um die Lieferanten strukturiert auf die verschiedenen Elemente von Nachhaltigkeit zu screenen und entsprechend diesen Kriterien zu selektieren.
- Dekarbonisierung der Lieferkette: Die deutsche Automobilindustrie gibt hier den Weg vor. Künftig werden wir mehr Industriezweige sehen, die Lieferanten auffordern werden, CO2-neutral zu produzieren. Das erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Beschaffung von Rohmaterialien, mit der eingesetzten Energie und mit innerbetrieblichen Transporten und der Distribution zum:zur Kund:in.
- Einführung zirkulärer Geschäftsmodelle: Ob als Wiederverwendung eigener Produktkomponenten oder als Recycling von Altprodukten bedingt Zirkularität eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen Produktdesign und den Möglichkeiten, Produkte in der Produktion wiederaufzubereiten.
- Schaffung von Möglichkeiten zur Nachverfolgbarkeit und Offenlegung: Um die Nachhaltigkeit auch Kund:innen gegenüber garantieren zu können, braucht es Tools, um alle Elemente vom Tier-n-Lieferanten bis zum:zur Endkund:in sichtbar zu machen und als Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerb auch gegenüber den Kund:innen offenzulegen.
Ein konsequenter Schritt Richtung Nachhaltigkeit erfordert Transparenz und Nachverfolgbarkeit
Die Erweiterung des Supply-Chain-Begriffs auf ein Ökosystem, das für die Erfüllung der gestellten Anforderungen notwendig ist, erfordert neue Wege, um den Strategiewechsel der Lieferketten in Richtung Nachhaltigkeit für Konsument:innen spürbar zu machen. Dabei handelt es sich um eine ideale Spielwiese für die Verwendung von Blockchain-Lösungen.
Die Verwendung von Blockchain als Enterprise-Technologie abseits von Kryptowährungen ist seit einigen Jahren ein wichtiger Bestandteil vieler Projekte. Insbesondere im Bereich Transport, Logistik und Supply Chain sehen viele Branchen ein enormes Potenzial für neue Geschäftsmodelle. Ein wesentlicher Nutzen dieser verteilten Systeme liegt in den Themen Sicherheit, Unverfälschbarkeit und Nachvollziehbarkeit von firmenübergreifenden Transaktionen. Man nennt es auch oft „Notarisierung“, weil man den Notar, den Aufpasser, den „Intermediär“ durch Technologie ersetzt.
Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen mögliche Einsatzfelder für Blockchain-Lösungen:
Ein klassisches Anwendungsfeld für Blockchain-Projekte ist der Lebensmittelhandel. Firmen wie Carrefour und bofrost in Italien pilotieren derzeit Blockchain-Lösungen, mit deren Hilfe Zulieferer von Fisch- und Hühnerprodukten Herkunft, Fangmethoden, Verarbeitungsmethoden etc. offenlegen und über eine Blockchain nachvollziehbar machen. Das Ergebnis ermöglicht einerseits die Nachverfolgung ihrer Vereinbarungen mit den entsprechenden Lieferanten, vor allem erzeugt es aber eine enorme Transparenz gegenüber Endkund:innen. Visualisiert wird es in einer ansprechenden App, die die Bemühungen der Unternehmen für die Konsument:innen erlebbar macht und Vertrauen in die Marken schafft.
Die Blockchain Initiative Logistik (www.ey.com/at/BIL) ist ein Co-Creation-Projekt mit DB Schenker, LKW Walter, GS1 und EDITEL, in dem der Frachtbrief (CMR) digitalisiert wurde und mithilfe von Blockchain notarisiert wird. Das Projekt wird bislang vor allem aus Überlegungen hinsichtlich Prozesskosten getrieben, es zeigt aber vor allem die Stärken der Verknüpfung von Daten in Prozessen, die sich über eine Vielzahl von Beteiligten erstrecken. Die Möglichkeiten, die sich darüber hinaus in der Visibilität der einzelnen Prozessschritte und der eingesetzten Transportmittel bieten, sind vielfältig, auch im Sinne der Nachhaltigkeit.
Beide Beispiele zeigen das Potenzial für die Nutzung von Blockchain-Lösungen in der Supply Chain und ermöglichen einen Weg, um nachhaltige Strategien für Kund:innen spürbar zu machen und den Verdacht von „Greenwashing“ im Keim zu ersticken.
Auf den Punkt gebracht
Der Druck, Supply Chains nachhaltiger zu gestalten, wird – getrieben durch Regierungen, Konsument:innen und einige Schlüsselindustrien – immer stärker. Die Corona-Pandemie wirkt dabei als Katalysator, der die Entwicklung weiter beschleunigt und uns die Unzulänglichkeiten klassischer, linear optimierter Supply Chains aufgezeigt hat.
Die Zukunft liegt in lokalisierten, zirkulären Ökosystemen. Diese erfordern einen Paradigmenwechsel in der Lieferkette und lassen Marktteilnehmer die eigene Supply-Chain-Strategie neu denken – angefangen bei sich selbst bis hin zur Zusammenarbeit mit neuen Partnern und sogar Mitbewerbern. Dieser Wechsel ermöglicht es aber, sich nachhaltig vom Wettbewerb zu differenzieren. Wesentliche Elemente bei der Gestaltung zu mehr Nachhaltigkeit sind die Implementierung von Sustainable-Procurement-Elementen, eine Fokussierung auf die Dekarbonisierung der Lieferkette, die Einbindung von Nachhaltigkeit in die Produktentwicklung, die Einführung zirkulärer Geschäftsmodelle und die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der gesamten Supply Chain bzw. deren Offenlegung gegenüber den eigenen Kund:innen.