Wir müssen über die reinen Rechnungslegungsdaten hinausschauen. Immer öfter analysieren wir die Kapitalbasis und den Cashflow, anstatt uns auf den Gewinn im Rechnungslegungsmodell zu beschränken.
Greifbare Daten
All diese Aktivitäten zeigen, dass sich Lemmens weniger auf Jahres- und Quartalsberichte konzentriert, sondern mehr auf die Präsentation des Unternehmens. Oft hilft ein Blick in den Bereich Investor Relations auf der Webseite. Auch PowerPoint-Präsentationen oder Ton- und Videoaufnahmen von Analysten, die einen Vortrag halten, sind hilfreich. Diese Quellen liefern meist viel relevantere Details.
„Wenn wir uns mit den Unternehmen treffen, um über Pläne zu sprechen, bekommen wir in der Regel ein besseres Bild über die langfristige Performance“, sagt er. „Wir stellen dann eine Reihe von Fragen, um herauszufinden, ob das Wachstum und die Entwicklung im Unternehmen mit einem langfristigen Plan und den Erwartungen des Markts abgestimmt sind.“
Ein weiteres Problem im Finanzsektor sei laut Lemmens, dass die Regulierungsbehörden Banken zwingen, viel zu viele Daten bereitzustellen. „Die Menge an Daten und Veröffentlichungen hat seit der Finanzkrise so stark zugenommen, dass wir regelrecht überschwemmt werden – es gibt einfach zu viele, zu detaillierte Informationen.“
„Von Unternehmen wünsche ich mir, dass sie sich mehr auf greifbare Daten fokussieren, die heute für mich relevant sind. Wie sieht die heutige Kapitalsituation aus? Wie steht es um die Liquidität? Welche Dividenden schüttet das Unternehmen aus? Wie werden Barmittel eingesetzt? Wie viel fließt zum Beispiel in Reinvestitionen in welchen Bereichen? Diese Dinge sind wichtiger als manipulierte Gewinnzahlen, denen viele Annahmen zugrunde liegen und die damit nicht greifbar sind. Wenn Sie zum Beispiel eine Anleihe besitzen, dann behalten Sie diese, bis sie reif ist – und verkaufen sie heute nicht. Es macht also keinen Sinn, Investitionen auf Grundlage des heutigen Wertes zu bewerten.“
Für uns ist es besser, langfristige Prognosen statt Quartalszahlen in den Blick zu nehmen. Ziel ist es, die Performance eines Unternehmens in zwei Jahren so gut wie möglich abzuschätzen.
Eine neue Dimension der Berichterstattung
Der globale Umstieg von GAAP auf IFRS ermöglicht einen besseren Vergleich zwischen Ländern, fügt Lemmens hinzu, „wir müssen jedoch immer noch viele Anpassungen machen“. Die Konzentration auf Kapital, Bargeld, Reinvestitionen und Dividenden hilft, damit umzugehen. Relevant sind auch die länderspezifischen Kapitalbedingungen und regulatorische Anforderungen für Banken und Versicherungen. Das bedeutet, immer auch die lokalen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen.
„Einige Länder erzielen bereits Fortschritte, gute Daten bereitzustellen. Andere stehen noch am Anfang. Sie haben aber verstanden, dass ein international anerkanntes System zur Rechnungslegung Investitionen begünstigt.“
Fazit
Patrick Lemmens ist als leitender Asset-Manager bei Robeco für den New World Financials Equities Fonds verantwortlich. Er sieht sich bei der Analyse von Finanzfirmen mehr als nur die Daten der Rechnungslegung an und konzentriert sich dabei auf das Kapital und den Cashflow. Er bevorzugt es auch, sich ein Bild von der langfristigen Firmenstrategie zu machen. Im persönlichen Gespräch bekommt er zudem ein besseres Gespür für die Pläne des Unternehmens.