5 Minuten Lesezeit 29 März 2019
Ein Schwarm Vögel am Himmel

Was Investoren über Finanzunternehmen wirklich wissen wollen

Von EY Reporting

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  • Investoren wollen mehr über Finanzunternehmen erfahren (pdf)

Portfoliomanager Patrick Lemmens erzählt EY Reporting, warum es bei Finanzfonds wichtig ist, neben den Bilanzdaten vor allem auch das Kapital und den Cashflow zu analysieren.

Viele globale Finanzunternehmen geben in ihren Jahres- und Quartalsberichten nicht genügend nützliche Informationen für Investoren preis, meint Patrick Lemmens, Executive Director bei Robeco und verantwortlich für den New World Financial Equities Fonds.

Lemmens sagt, dass sich zwar bereits einige Unternehmen verbessert haben. Viele konzentrierten sich jedoch immer noch zu stark auf ihre Gewinnrechnung, anstatt relevantere Daten zum Kapital und zum Cashflow bereitzustellen. Die Fähigkeit, einen Cashflow zu generieren, ist besonders wichtig für junge Finanzunternehmen wie FinTechs.

„Wir müssen über die reinen Rechnungslegungsdaten hinausschauen. Immer öfter analysieren wir die Kapitalbasis und den Cashflow, anstatt uns auf den Gewinn im Rechnungslegungsmodell zu beschränken“, erklärt Lemmens. „Rechnungslegungsstandards wie der IFRS 9 – nach dem erwartete Verluste aus zukünftigen Anleihen heute abgebildet werden müssen – sind sehr zurückhaltend, da man etwas abbildet, das vielleicht gar nicht eintritt. Regeln wie diese verursachen stärkere kurzfristige Kursschwankungen als nötig.“

„Für uns ist es besser, langfristigere Prognosen statt Quartalszahlen in den Blick zu nehmen. Ziel ist es, die Performance eines Unternehmens in zwei Jahren so gut wie möglich abzuschätzen. Ist die Performance in einem Quartal nicht so gut, dann versuchen wir, nicht zu viel hineinzuinterpretieren.“

Märkte reagierten viel zu schnell auf kurzfristige Tiefpunkte, meint Lemmens. Diese würden jedoch Chancen schaffen. „Wir können diese kurzfristigen Schwankungen auch nutzen, um die Position eines Unternehmens zu ändern, wenn es Erwartungen nicht erfüllt oder übertrifft. Wir halten also nach Dingen Ausschau, die den Kurs für eine kurze Zeit hochtreiben, ihn danach aber wieder auf ein normales Level fallen lassen.“

  • Patrick Lemmens

    Gemeinsam mit seinem Team ist Patrick Lemmens für den Finanzfonds von Robeco zuständig, einer internationalen Fondsgesellschaft der japanischen Firma ORIX mit Sitz im niederländischen Rotterdam. Robeco verwaltet weltweit 171 Milliarden Euro (rund 195 Milliarden US-Dollar) mit einer Belegschaft von 890 Mitarbeitern an 15 Standorten. Neben festverzinslichen Anlagen und herkömmlichen Kapitalbeteiligungen betreibt das Unternehmen trendbasierte Fonds. Zu ihnen zählen zwei Fonds: Robeco New World Financial Equities mit 826 Millionen Euro (rund 944 Millionen US-Dollar) und Robeco Global FinTech Equities mit 703 Millionen Euro (rund 804 Millionen US-Dollar). Über 15 Jahre hinweg steuerte Lemmens Investitionen in diesem Bereich. Seit 2008 ist er für den Robeco New World Financial Equities Fonds verantwortlich.

Unterschiedliche Herangehensweisen

Einige Finanzunternehmen werden immer besser darin, detaillierte Cashflow-Daten zur Verfügung zu stellen, erzählt Lemmens weiter. Sie sind sich zunehmend bewusst, was Investoren brauchen, und wollen ihnen die Informationen liefern. Andere Unternehmen verbringen immer noch zu viel Zeit mit der Rechnungslegung gemäß den regulatorischen Vorgaben, weil sie glauben, dass Aktionäre und Marktteilnehmer sich diese Zahlen ansehen.

Darüber hinaus gibt es auch einige regionale Unterschiede. „Britische Finanzunternehmen wie zum Beispiel Versicherungen waren recht schnell, weiterführende Informationen zu ihrem Cashflow und seiner Entwicklung bereitzustellen“, sagt er. „Viele dieser Unternehmen auf der ganzen Welt handeln ähnlich. Allerdings sind US-Firmen traditioneller aufgestellt. Sie halten sich noch an die allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze der Vereinigten Staaten (GAAP).“

„Wir fordern Unternehmen auf, uns Cashflow-Daten zu liefern; einige kommen dem nach, andere nicht. Wenn wir die Daten nicht erhalten, dann müssen wir selbst aktiv werden. Wir nehmen dann die Sachposten heraus und führen eine wirtschaftliche Wertschöpfungsanalyse durch“, erklärt Lemmens. „Das Problem dabei ist, dass wir möglicherweise Anpassungen vornehmen müssen und am Ende nur eine Schätzung erhalten.“

„Zum Beispiel vermischen sich im Cashflow von Handelsunternehmen und Banken Barmittel im Unternehmen mit dem Geld der Kunden. Dies macht es komplex und schwierig, die exakten Geldflüsse nachzuvollziehen. Versicherungen sind in dieser Hinsicht einfacher zu analysieren; Technologieunternehmen sogar noch einfacher.“

Wir müssen über die reinen Rechnungslegungsdaten hinausschauen. Immer öfter analysieren wir die Kapitalbasis und den Cashflow, anstatt uns auf den Gewinn im Rechnungslegungsmodell zu beschränken.
Patrick Lemmens, Robeco
Vermögensverwalter (global)

Greifbare Daten

All diese Aktivitäten zeigen, dass sich Lemmens weniger auf Jahres- und Quartalsberichte konzentriert, sondern mehr auf die Präsentation des Unternehmens. Oft hilft ein Blick in den Bereich Investor Relations auf der Webseite. Auch PowerPoint-Präsentationen oder Ton- und Videoaufnahmen von Analysten, die einen Vortrag halten, sind hilfreich. Diese Quellen liefern meist viel relevantere Details.

„Wenn wir uns mit den Unternehmen treffen, um über Pläne zu sprechen, bekommen wir in der Regel ein besseres Bild über die langfristige Performance“, sagt er. „Wir stellen dann eine Reihe von Fragen, um herauszufinden, ob das Wachstum und die Entwicklung im Unternehmen mit einem langfristigen Plan und den Erwartungen des Markts abgestimmt sind.“

Ein weiteres Problem im Finanzsektor sei laut Lemmens, dass die Regulierungsbehörden Banken zwingen, viel zu viele Daten bereitzustellen. „Die Menge an Daten und Veröffentlichungen hat seit der Finanzkrise so stark zugenommen, dass wir regelrecht überschwemmt werden – es gibt einfach zu viele, zu detaillierte Informationen.“

„Von Unternehmen wünsche ich mir, dass sie sich mehr auf greifbare Daten fokussieren, die heute für mich relevant sind. Wie sieht die heutige Kapitalsituation aus? Wie steht es um die Liquidität? Welche Dividenden schüttet das Unternehmen aus? Wie werden Barmittel eingesetzt? Wie viel fließt zum Beispiel in Reinvestitionen in welchen Bereichen? Diese Dinge sind wichtiger als manipulierte Gewinnzahlen, denen viele Annahmen zugrunde liegen und die damit nicht greifbar sind. Wenn Sie zum Beispiel eine Anleihe besitzen, dann behalten Sie diese, bis sie reif ist – und verkaufen sie heute nicht. Es macht also keinen Sinn, Investitionen auf Grundlage des heutigen Wertes zu bewerten.“

Für uns ist es besser, langfristige Prognosen statt Quartalszahlen in den Blick zu nehmen. Ziel ist es, die Performance eines Unternehmens in zwei Jahren so gut wie möglich abzuschätzen.
Patrick Lemmens, Robeco
Vermögensverwalter (global)

Eine neue Dimension der Berichterstattung

Der globale Umstieg von GAAP auf IFRS ermöglicht einen besseren Vergleich zwischen Ländern, fügt Lemmens hinzu, „wir müssen jedoch immer noch viele Anpassungen machen“. Die Konzentration auf Kapital, Bargeld, Reinvestitionen und Dividenden hilft, damit umzugehen. Relevant sind auch die länderspezifischen Kapitalbedingungen und regulatorische Anforderungen für Banken und Versicherungen. Das bedeutet, immer auch die lokalen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen.

„Einige Länder erzielen bereits Fortschritte, gute Daten bereitzustellen. Andere stehen noch am Anfang. Sie haben aber verstanden, dass ein international anerkanntes System zur Rechnungslegung Investitionen begünstigt.“

Fazit

Patrick Lemmens ist als leitender Asset-Manager bei Robeco für den New World Financials Equities Fonds verantwortlich. Er sieht sich bei der Analyse von Finanzfirmen mehr als nur die Daten der Rechnungslegung an und konzentriert sich dabei auf das Kapital und den Cashflow. Er bevorzugt es auch, sich ein Bild von der langfristigen Firmenstrategie zu machen. Im persönlichen Gespräch bekommt er zudem ein besseres Gespür für die Pläne des Unternehmens.

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