Kapitel 1
Strukturierung des Immobilienportfolios
Die Immobilienportfolios von Corporates unterscheiden sich in der Funktionalität, Anzahl und geografischen Lage der gehaltenen Immobilien.
Die Immobilienportfolios international agierender Konzerne unterscheiden sich sowohl in der Funktionalität als auch in der Anzahl und der geografischen Lage der gehaltenen Immobilien. Hieraus ergeben sich spezifische Anforderungen sowohl an die Gebäude als auch an das Facility Management. Bei der Steuerung und Bewirtschaftung des Immobilienportfolios gilt es, dieser Komplexität Rechnung zu tragen. Betrachtet man die Top 15 Unternehmen der Schweiz nach Marktkapitalisierung (April 2022) in Milliarden US-Dollar, so sind die drei grössten Unternehmen in den Bereichen Nahrungsmittelverarbeitung (Nestlé), Life Sciences (Roche, Novartis) und Rohstoffgewinnung (Glencore) tätig.
Gibt es Unterschiede in der Strukturierung der Immobilienportfolios dieser drei Sektoren?
AW: Die Nahrungsmittelindustrie, die Life Science Industrie und die Rohstoffindustrie haben eines gemeinsam. Verglichen mit anderen Branchen in der Schweiz, wie beispielsweise dem Finanz- oder Versicherungssektor, sind sie dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen. Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes sind in der Regel nicht Mieter, sondern Eigentümer ihrer Immobilien. Dies stellt sicher, dass die volle Kontrolle über die zentralen Produktionsanlagen im Unternehmen verbleibt. Darüber hinaus ist es kostengünstiger, Eigentümer der einzelnen Immobilien am jeweiligen Standort zu sein, insbesondere wenn ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum an einem Standort verbleibt.
Die Umsetzung und Aufrechterhaltung einer globalen Standortstrategie wird oft durch länderspezifische regulatorische Anforderungen und kulturelle Unterschiede erschwert. Welches sind Ihrer Meinung nach die drei grössten Herausforderungen in diesem Zusammenhang? Wie können sie bewältigt werden?
AW: Die Herausforderung bei der Entwicklung einer Standortstrategie besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu finden. Einerseits verändert sich das Angebot auf den Immobilienmärkten kontinuierlich und die Nachfrage ist schwer vorhersehbar. Denn sowohl interne als auch externe Faktoren ändern sich kurzfristig. Wir leben folglich in einem VUCA-Umfeld, obwohl der Immobilienmarkt die Assets hält. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Nachfrage flexibler ist als das Angebot, was eine Herausforderung für die Entwicklung einer Gesamtportfoliostrategie für jeden Nutzer darstellt.
Darüber hinaus darf CRE nicht mehr nur in der Rolle des Kostenmanagers gesehen werden. CRE sollte sich zu einer Abteilung innerhalb des Unternehmens entwickeln, die Produktivität fördert und ermöglicht. Post-COVID wurden Fragen über die Rückkehr der Mitarbeiter ins Büro, die Entwicklung der Unternehmenskultur während der Home-Office-Zeiten und die Bedeutung des Büros im Allgemeinen aufgeworfen. Dadurch verlagerte sich die Diskussion vom Büro als Kostenfaktor hin zum Büro als zentraler Bestandteil der unternehmerischen Wertschöpfung. Dabei darf die Integration der Komponente „Mitarbeitererlebnis“ in die physische Arbeitsumgebung nicht vernachlässigt werden. In diesem Zusammenhang ist eine enge Verzahnung der CRE-Funktion mit anderen Unternehmensfunktionen wie HR und IT wichtig, was in vielen Unternehmen bisher nur eingeschränkt der Fall ist.
Eine weitere Herausforderung sehe ich in der Definition von Kennzahlen, die den qualitativen Wertbeitrag der Immobilien und nicht nur den Kostenbeitrag für das Unternehmen darstellen. Kennzahlen wie Auslastung, OpEx pro Mitarbeiter oder CapEx pro Quadratmeter sind einfach zu messen und bei den Nutzern weit verbreitet. Den Mehrwert zu messen, den die Arbeitsumgebung für die Produktivität, die Rentabilität, das Markenimage und die Mitarbeiterbindung liefert, ist der Bereich, in dem sich die Branche weiterentwickeln wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Balance zwischen Angebot und Nachfrage, die Entwicklung der CRE-Funktion hin zu einem Produktivitätsmotor und die Definition von Kennzahlen, die den Wertbeitrag der Immobilien widerspiegeln, Bestandteile zukünftiger CRE-Portfoliostrategien sein werden. In der Vergangenheit lag der Fokus der Unternehmen vor allem auf dem Asset Controlling und dem Kostenmanagement. Zukünftig werden die Verknüpfung mit der Corporate Identity und die Mitarbeiterbindung stärker in den Vordergrund rücken.
Um die Geschäftsziele zu erreichen, muss die Unternehmensleistung und -effizienz verbessert werden. Aus diesem Grund sind KPIs so wichtig und notwendig. Welche KPIs sollen für ein Benchmarking national und global definiert werden?
AW: Klassische Kosten- und Flächeneffizienzkennzahlen wird es weiterhin geben. Sie sind nicht spezifisch für eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Sektor, sei es Versicherung, Finanzen, Life Sciences, F&B oder Einzelhandel. Wie oben erwähnt, wird in Zukunft mehr Wert auf die Effizienz der Immobilien gelegt (z.B. Mitarbeiterbindung).
Immobilienportfolios von Corporates haben einen erheblichen Einfluss auf die CO2-Emissionen. Ein beträchtlicher Teil der weltweiten CO2-Emissionen ist auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Dazu gehören sowohl die vermieteten Flächen als auch die Flächen, die für Versorgungsleistungen (Heizung, Kühlung etc.) genutzt werden. Aus diesem Grund wird es immer wichtiger, diese KPIs zu messen, um auf diese Weise das Bewusstsein für Nachhaltigkeit innerhalb des Unternehmens zu stärken und effektiv zu steuern. Insbesondere post-COVID ist die "space effectiveness" ein weiterer wichtiger KPI. In Organisationen werden zunehmend Umfragen zur Mitarbeiterbindung und Nutzerzufriedenheit durchgeführt, um die Erwartungen der Mitarbeiter an ihr zukünftiges Arbeitsumfeld zu ermitteln. Typische Kennzahlen zur Raum- und Kosteneffizienz, wie z. B. FTE pro Quadratmeter oder CapEx / OpEx pro Flächeneinheit oder pro Person, werden jedoch nach wie vor verwendet.
Kapitel 2
Organisation des Portfoliomanagements
Effektive Steuerung eines globalen Immobilienportfolios und die grössten operativen Herausforderungen in diesem Zusammenhang.
Wie wird ein globales Immobilienportfolio effektiv gesteuert und wo liegen die grössten Herausforderungen aus operativer Sicht?
AW: Ein leistungsstarkes Portfolio ist an bestimmte Grundvoraussetzungen geknüpft. Eine adäquate und realitätsnahe Bedarfsprognose durch das Business selbst ist ein Schlüssel zum Erfolg. Im Hinblick auf das Stakeholder-Engagement wirkt das CRE unterstützend und hat je nach Ausgestaltung auch entsprechende Freigabe- und Zeichnungsfunktionen. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass das CRE das zugrunde liegende Geschäft versteht.
Umgekehrt ist eine gute Vernetzung des CRE mit den lokalen Niederlassungen erforderlich, da deren Bedürfnisse üblicherweise die Nachfrage bestimmen. Die Umsetzung einer kohärenten Strategie, auch auf Governance-Ebene, kann durch das Management dieser unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Anforderungen im gesamten Unternehmen zu einer Herausforderung werden. Die effektive Verwaltung eines globalen Portfolios wird durch Managementwechsel und Umstrukturierungen sowie unflexible Lieferketten zusätzlich erschwert.
Langsame und sich verändernde Marktzyklen sind oft nicht mit den kurzfristigen Anforderungen der Kunden oder des Unternehmens in Einklang zu bringen.
Sind internationale CRE-Portfolios eher länderspezifisch oder regional (z.B. EMEIA, Americas, Asia-Pacific etc.) organisiert?
AW: CRE-Funktionen sind in der Regel geografisch oder regional organisiert. Die Regionen können sich jedoch von Organisation zu Organisation unterscheiden. Beispielsweise gibt es Organisationen, in denen einzelne Unternehmensgruppen eine eigene Identität haben (Funktionen, die Geschäftseinheiten zugeordnet sind), möglicherweise nach Fusionen und Übernahmen. Dies unterscheidet sich im Allgemeinen nicht zwischen Branchen oder Sektoren.
Die Gliederung einer Organisation in Regionen trägt dazu bei, dass lokale Niederlassungen agieren können. Denn die Experten vor Ort sind mit den Marktgegebenheiten bestens vertraut. Andererseits ist es eine Herausforderung, eine grosse Organisation mit Hunderten von lokalen Experten zu führen.
Die Art und Weise, wie das zur Verfügung stehende Kapital kontrolliert und die Budgets verwaltet werden, hängt stark von der Organisationsstruktur ab. In einigen Unternehmen ist die CRE-Funktion für die Gewinn- und Verlustrechnung der Immobilien verantwortlich, kontrolliert die Ausgaben und verteilt diese dann auf die einzelnen Geschäftsbereiche. In anderen Fällen werden die Ausgaben von den lokalen Niederlassungen verwaltet und kontrolliert. Die erforderlichen Genehmigungen werden von den jeweiligen Fachexperten erteilt. Aufgrund der Marktdynamik und der Notwendigkeit, unternehmensübergreifend zu agieren, sind die internen CRE-Funktionen jedoch eher global und regional ausgerichtet. Lokale Brokerage-Dienstleistungen werden von Dritten erbracht.
Kapitel 3
Allgemeine Marktentwicklung
Volatilität, Flexibilität und komparativer Vorteil – Handhabung dieser Aspekte im Rahmen des Portfoliomanagements in einer B- oder C-Industrie.
Insbesondere in forschungs- und produktionsintensiven Branchen macht sich die regionale Nähe zu den einzelnen Akteuren in Form von Clustern bemerkbar. Dies bedeutet unter anderem, auf einen Pool von potenziellen Fachkräften in der Region zugreifen zu können und von der Nähe zu Grundlagenforschungseinrichtungen, branchennahen KMU ‚sowie internationalen Organisationen zu profitieren. Wenn sich ein potenzieller Ansiedlungskandidat für die Schweiz interessiert, welche Standortfaktoren sind für Sie entscheidend?
AW: Ein Kriterium ist der Standort selbst. Generell geht es um die Nähe zu den Kunden und die infrastrukturelle Erreichbarkeit für die Mitarbeitenden. Einerseits wollen die Mitarbeitenden in einem lebendigen Umfeld mit allen Annehmlichkeiten arbeiten. Auf der anderen Seite wünschen sie sich ein qualitativ hochwertiges Gebäude, das Gesundheits-, Nachhaltigkeits- und Umweltstandards erfüllt. Für den Mieter sind in erster Linie die Mietkonditionen von Bedeutung. Für jeden Mieter, unabhängig von Branche oder Land, ist eine Kombination dieser Faktoren ausschlaggebend für die Wahl des richtigen Standorts. Für Labor- und F&E-Einrichtungen kann die Nähe zu einem Pool von Talenten, die für zukünftige Produktentwicklungen und Innovationen benötigt werden, noch wichtiger sein. Diese Investitionen an den richtigen Standorten und der Zugang zu den richtigen Fachkräften, aber auch die Investitionen des Umfelds am Standort (staatliche Subventionen, Unterstützung durch die Kommune, Ansiedlung von Versorgungsunternehmen usw.) bilden die Grundlage für zukünftige Einkommensströme und Produktpipelines.
Verglichen mit klassischen Büroimmobilien sind die Betriebskosten von Unternehmen, die in den Bereichen Fertigung, Produktion und F&E tätig sind, deutlich höher. Ein deutlicher Anstieg der Betriebskosten ist angesichts der Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine weiterhin zu erwarten. Wie ist der Umgang damit im Rahmen der Portfolioplanung und wie kann die Energieversorgung an produktionsintensiven Standorten sichergestellt werden?
AW: In der Regel liegt die Energieversorgung nicht im Verantwortungsbereich des Real Estate und Facility Teams. Dies ist Aufgabe des Einkaufs. Das Real Estate und Facility Team sensibilisiert jedoch intern für den sparsamen Umgang mit Energie und die Umsetzung nachhaltiger Praktiken im eigenen Immobilienbestand. Auf diese Weise trägt dieses Team sowohl zum Schutz als auch zur Sicherung der Energieversorgung bei. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Produktionsanlagen, da diese am meisten Energie verbrauchen. Für den Betrieb der Maschinen ist eine unterbrechungsfreie Versorgung mit Strom Voraussetzung.
Ich stelle fest, dass sich immer mehr Mieter für lokale Energieversorgungslösungen interessieren. Dabei handelt es sich um netzunabhängige Solar- und Windkraftanlagen, die Energie direkt in die Produktions- und Fertigungsanlagen einspeisen. Mittel- bis langfristig werden in Märkten, in denen die Energie dereguliert ist, auch Verträge zur Absicherung von Energiekosten zum Schutz vor hohen Kostensteigerungen üblich sein (Energy Heding Contracts). Zur Sicherung der Energieversorgung und der Geschäftskontinuität betreiben einige Standorte eigene Energieerzeugungsanlagen.
Wie wird das Benchmarking der Betriebskosten durchgeführt? Sind Unterschiede in der Methodik zu erkennen? Basiert das Benchmarking auf Daten der eigenen Standorte oder auf externen Benchmarks?
AW: In den meisten Corporates werden die Occupancy Costs einschliesslich des Energieverbrauchs über das gesamte Portfolio gemessen. Externes Benchmarking, d.h. der Vergleich des eigenen Standortes mit Branchendurchschnittswerten, wie sie z.B. von MSCI entwickelt wurden, wird jedoch von vielen Corporates noch nicht durchgeführt. Bisher steht das interne Benchmarking im Vordergrund. Dabei wird eine Region mit einer anderen oder ein Gebäude mit einem anderen verglichen. Dies ist zwar hilfreich, aber weniger aussagekräftig als ein Vergleich mit der Branche oder dem Durchschnitt. Im Vergleich zu den Occupancy Costs ist das Benchmarking daher weniger konsistent.
Werden CRE-Portfolios eher durch ein internes oder ein externes Facility Management-Team verwaltet und gesteuert?
AW: Der aktuelle Trend bezieht sich eher auf die Art der Immobilie als auf die Branche. Bei der Erbringung von Dienstleistungen für F&E- und Produktionsanlagen wird häufig eine Kombination aus internen und externen Spezialisten eingesetzt. Dies kann in Form einer Reihe von Einzelverträgen, eines gebündelten Vertragspakets oder eines kompletten IFM-Modells erfolgen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass produktions- und fertigungsbezogene Tätigkeiten häufig von internen Spezialisten durchgeführt werden. Im Allgemeinen bestehen Vorbehalte gegenüber der Auslagerung von GMP-bezogenen Tätigkeiten, da dies die Aufgabe der Kontrolle über diese Produktionsbereiche bedeutet. Dennoch wird dies an einigen Standorten praktiziert.
Weitergehende Beschaffungsmodelle wie IFM oder Bündelverträge werden auch wegen des im Rahmen dieser Facility-Management-Verträge erforderlichen Anteils an hard services und zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität bevorzugt. Im Vergleich dazu setzen kleinere Mieter aufgrund eines stärkeren Fokus auf soft services und einer kleineren bzw. fragmentierteren Präsenz nach wie vor mehr auf interne Mitarbeiter oder mehrere einzelne ausgelagerte Dienstleistungsverträge.
Je nach Region und Standort nutzen die Mieter unterschiedliche Modelle zur Erbringung von Facility-Management-Dienstleistungen. Der allgemeine Trend geht in Richtung Zusammenarbeit und Kooperation mit externen IFM-Lösungsanbietern. So werden die meisten hard- und soft services von einem Unternehmen pro Standort oder Region, manchmal auch weltweit, erbracht. In diesem Modell gibt es immer noch interne Mitarbeiter und Ressourcen. Diese Experten konzentrieren sich jedoch mehr auf das Vertragsmanagement sowie das Vendor- und Supplier-Management als auf die Erbringung der einzelnen Dienstleistungen.
"Flexibilität als Voraussetzung für hoch operative Immobilien. Das bedeutet: Betreiberimmobilien sollten über Entwicklungs- und Erweiterungspotenzial verfügen, um bei einer Expansion kostspielige Umzüge zu vermeiden und den Standort für sich entwickeln zu können. Sind diese Überlegungen bei der Standortwahl relevant bzw. wird bei der Wahl eines neuen Standortes Flexibilität hinsichtlich des Erweiterungspotenzials gefordert?
AW: Flexibilität ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Immobilienportfolio. Immobilienentscheidungen binden die Organisation über einen langen Zeitraum an relativ hohe Kosten. Die entsprechenden Rahmenbedingungen lassen sich nur bedingt ändern. Flexibilität ist daher unerlässlich, um sich einerseits an externe Veränderungen oder andererseits an sich ändernde Anforderungen der Organisation - wie dies bei COVID-19 (Home-Office) der Fall war - mit einem Minimum an Aufwand bzw. Kosten anpassen zu können.
Im Idealfall bedeutet dies: Das räumliche Layout wird zeitnah angepasst, sobald entsprechende Rückmeldungen der Nutzer vorliegen.
Um Desk-Sharing und tätigkeitsbezogenes Arbeiten zu ermöglichen, müssen flexiblere und anpassungsfähigere Räumlichkeiten geschaffen werden. Gleichzeitig sollte die Möglichkeit bestehen, zu messen, wie ausgelastet diese sind. In der Post-COVID-Ära ist ein wachsendes Interesse an der Arbeit im Home-Office und an der Arbeit an externen Standorten zu beobachten. Ein langfristig tragfähiges Modell ist dies für viele Unternehmen jedoch nicht.
Meines Erachtens ist ein gut verhandelter traditioneller Büromietvertrag mit einer gewissen Flexibilität durch Break-Options, Flächenverkleinerungen/-vergrösserungen während der Vertragslaufzeit etc. für die meisten Nutzer ausreichend flexibel.
Wachstum an sich ist nicht gleichbedeutend mit Volatilität, Flexibilität und komparativem Vorteil. Wie werden diese Aspekte in einem Immobilienportfolio einer B- oder C-Industrie gehandhabt?
Für jedes erfolgreiche Immobilienportfolio, unabhängig von der Grösse des Unternehmens, ist ein gewisses Mass an Flexibilität unerlässlich. Ein höherer Bedarf an Flexibilität wird jedoch in B- und C-Branchen gesehen. Der Grund dafür ist, dass diese Branchen in höherem Masse von externen Faktoren abhängig sind. Das bedeutet, dass weniger Kapital zur Verfügung steht und möglicherweise grössere Einkommensströme anfallen.
Am Transaktionsmarkt ist ein Trend erkennbar, dass Unternehmen - insbesondere aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie - Kapital aus dem Anlagevermögen abziehen wollen, um das freiwerdende Kapital in ihr Kerngeschäft reinvestieren. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
AW: Die meisten Corporates besitzen nur noch wenige Immobilien. Die meisten von ihnen haben bereits das verkauft, was sie verkaufen wollten. Dies ist kein neues Konzept, vor allem dann nicht, wenn es sich um Büroimmobilien handelt. Der Besitz von Büroimmobilien ist nicht sehr üblich, es sei denn, sie befinden sich auf einem Campus, der in erster Linie für die Produktion und damit verbundene Aktivitäten bestimmt ist.
Die meisten Unternehmen sind bestrebt, die vorhandenen Flächen effizienter zu nutzen ("space density"). Dies gilt nicht, wenn Verkäufe oder Verbriefungen Teil der Geschäftsstrategie sind. Mit anderen Worten: Für jeden Quadratmeter, den ein Unternehmen nicht belegt, müssen keine CapEx oder OpEx aufgewendet werden. Je schlanker eine Organisation, desto geringer der CapEx-Einfluss und desto kleiner der CO2-Fussabdruck. Um die Gestaltung effizienter räumlicher Fit-Outs zu fördern, verwenden die meisten Organisationen sogenannte "Fit-Out CapEx KPIs". Der Grund dafür ist, dass leicht anpassbare Räumlichkeiten zu geringeren Änderungskosten führen, wenn sich die Anforderungen der Nutzer ändern.
Jedes Unternehmen ist anders. Bei einigen handelt es sich um grosse internationale Organisationen, bei anderen um kleine Unternehmen, die auf lokaler Ebene tätig sind. Manche sind sehr CapEx bezogen, andere sehr Cashflow bezogen. Sehen Sie spezifische Trends für Unternehmen, die sehr CapEx bezogen agieren?
AW: Bei Corporates mit einem sehr starken CapEx Fokus besteht ein erhöhtes Interesse an Coworking. Das heisst, flexible Büros, bei denen keine CapEx bezogen auf Fläche anfallen. Stattdessen werden die abgeschriebenen Fit-Out Kosten in Miete umgewandelt. Somit handelt es sich bei allen immobilienbezogenen Kosten um OpEx. Dies kann sowohl aus finanziellen als auch aus Gründen der Flexibilität geschehen. Im Allgemeinen ist das nicht die Norm. Aber ich denke, es gibt einen Wunsch nach Effizienz bei der Kapitalallokation. Vor allem post-COVID konzentrieren sich die Corporates vermehrt auf die Qualität ihres Immobilienportfolios. Das heisst aber nicht, dass ein höherer Einsatz von Kapital zu einer besseren Qualität führt. Es geht jetzt um die Immobilie als Ort mit Aufenthaltsqualität. Nicht mehr die Immobilie als Kostenverursacher steht im Vordergrund. Das bedeutet, dass das Portfolio über das Potenzial verfügt, die Produktivität der Mitarbeiter zu steigern, Nachhaltigkeitsmassnahmen zum Wohle der Allgemeinheit umzusetzen oder die Unternehmenskultur zu verbessern.
Kapitel 4
Nachhaltigkeit und ESG
Der grüne Fussabdruck (Green Footprint) und seine Rolle innerhalb der Unternehmensstrategie.
Der "grüne Fussabdruck" (Green Footprint) spielt für viele Corporates eine wichtige Rolle. Viele Corporates wünschen sich Energielieferanten, die CO2 nachhaltig sind und die Nachhaltigkeit auch nachweisen können. So wird auch nachgefragt, ob es Photovoltaikanlagen gibt. Oder welche Möglichkeiten es gibt, diese selbst zu installieren, um eben nachweislich etwas für den CO2-Ausstoss zu tun. Glauben Sie, dass sich die Corporates, die ihre Immobilien nutzen, mittel- bis langfristig für diese oder andere ESG-Themen interessieren?
AW: Ich bin nicht der Meinung, dass eine bestimmte Branche eine Vorreiterrolle bei der Berücksichtigung von ESG-Themen einnimmt. Auf Unternehmensebene haben fast alle Corporates bereits ihre ESG-Ziele definiert. In vielen Fällen sind diese Ziele Teil der Richtlinien der CRE-Funktion. Bei einigen Corporates wurde dieser Ansatz jedoch primär auf die Produktions- und Fertigungsanlagen übertragen, da diese einen hohen Ressourcenverbrauch aufweisen und entsprechende ESG-Massnahmen am wirkungsvollsten sind.
Es ist wichtig anzumerken, dass einige CRE-Funktionen nicht für die Überwachung von Produktionsanlagen zuständig sind, die unter Umständen von einer separaten Engineering-Abteilung innerhalb einer Organisation verwaltet werden.
CRE-Richtlinien, die sich auf ESG-Faktoren beziehen, konzentrieren sich auf die Flächeneffizienz, die "grüne" Vermietung und die nachhaltige Ausstattung von gewerblichen Büroportfolios. CRE-Richtlinien, die sich auf ESG-Faktoren beziehen, konzentrieren sich auf die Flächeneffizienz, die "grüne" Mietverträge und die nachhaltige Ausstattung von gewerblichen Büroportfolios. Neu ist der Fokus auf "embodied carbon" (Graue Energie: CO2-Bilanz von Materialien) in der Bauwirtschaft, die einen sehr grossen Anteil an den Kohlenstoffemissionen hat. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist, wie dies in die CRE-Politik integriert werden kann. Durch den Fokus auf „embodied carbon“ werden Mieter dazu ermutigt Bestandsgebäuden den Vorzug vor Neubauten zu geben und deren Lebenszyklus aktiv zu verlängern. Darüber hinaus werden digitale Zwillinge (z.B. BIM-Modelle) eingesetzt, um die im Gebäude verwendeten Baumaterialien und die CO2-Bilanz des Gebäudes besser zu dokumentieren.
Gibt es Branchen, in denen ESG-Themen noch nicht klar in die Strategie und die Praxis der Corporates integriert sind? Wenn ja, woran liegt das und gibt es Planungen, dies zu ändern?
AW: Die meisten Nutzer beziehen Nachhaltigkeitsaspekte beim Bau, Kauf oder der Anmietung neuer Räumlichkeiten direkt in ihre Standort- und Gebäudeauswahlkriterien ein. Gebäudezertifikate, die Möglichkeit des Abschlusses grüner Mietverträge oder auch der Bezug grüner Energie sind mögliche Elemente zur Optimierung des eigenen Immobilienportfolios im Hinblick auf Nachhaltigkeitsbestrebungen.
Eine Herausforderung stellt die Messung dieser Nachhaltigkeitsfaktoren dar. Es gibt eine Vielzahl von Standards für Green Buildings, die sich jedoch alle voneinander unterscheiden und nicht direkt miteinander verglichen werden können. Das macht es für jeden Nutzer, der global oder in vielen Märkten tätig ist, schwierig zu messen, wie "grün" sein Portfolio tatsächlich ist. Viele Corporates haben ihre eigenen internen Kennzahlensysteme entwickelt. Diese sind jedoch nicht miteinander vergleichbar, wenn sie nicht extern verglichen werden.
Inwieweit spielen Nachhaltigkeitsaspekte (Netto-Null-Ziele, Gebäudezertifikate) beim Bau bzw. bei der Auswahl neuer Liegenschaften sowie bei der Auswahl globaler und lokaler Dienstleister eine Rolle?
AW: Die Unterzeichnung des unternehmensweiten Code of Ethics, des Code of Conduct für Lieferanten sowie der entsprechenden ESG-Charta durch den Lieferanten ist bei global agierenden Corporates üblich. Der Umfang der Dienstleistungen, die von den Facility-Management-Dienstleistern, den Brokern oder den Transaktionsmanagement-Teams des Corporates erbracht werden, beinhaltet in der Regel bereits Nachhaltigkeitselemente. Dies ist mehr oder weniger als Marktstandard etabliert.
Darüber hinaus gibt es eine wachsende Zahl von Corporates, die als Mieter Prinzipien des Green Lease einfordern und sich dazu verpflichten. Dabei handelt es sich um einen wechselseitigen Prozess, denn sowohl Mieter als auch Vermieter müssen sich zu einer nachhaltigen Nutzung der Gebäude verpflichten. Dies reicht von der Verpflichtung zu einem nachhaltigen Gebäude Fit-Out, dem Teilen der eigenen Verbrauchsdaten mit dem Vermieter und anderen Mietern bis hin zu Investitionen oder Co-Investitionen in nachhaltige Infrastrukturverbesserungen des Gebäudes zur Unterstützung des Vermieters bei der Erlangung entsprechender grüner Gebäudezertifikate. Im Swiss Corporate Real Estate Network sind über 30 Unternehmen vertreten. Diese repräsentieren rund die Hälfte des SMI-Index. Damit sind wir als nationales Netzwerk in der Lage, einen grossen Einfluss auszuüben. Der Vermietungsmarkt wird sich verändern, je mehr Corporates sich als Mieter zu Nachhaltigkeit verpflichten.
Welche Rolle spielt das Real Estate und Facility Team in der unternehmensweiten ESG-Strategie?
Die ESG-Strategie eines Unternehmens basiert auf Werten. Das CRE-Team unterstützt und handelt im Einklang mit diesen Werten. Heutzutage ist es schwierig, ein Unternehmen zu finden, das keine ESG-Richtlinie eingeführt hat. Das wäre so, als ob es keine Richtlinie zum Thema Diversität gäbe. Ob im Bereich CRE oder in anderen Geschäftsbereichen: Nicht nachhaltig zu handeln ist keine Option.
Was wirklich benötigt wird, ist eine Verpflichtung, Nachhaltigkeit in Entscheidungsprozesse zu integrieren. Nur so kann Nachhaltigkeit gleichberechtigt neben CapEx und Renditekennzahlen stehen. Die Integration von ESG-Kennzahlensystemen in CRE-Richtlinien und -Prozesse ist von entscheidender Bedeutung.
Kapitel 5
Operative Themen
Herausforderungen und Chancen unter Berückichtigung der COVID-19 Pandemie im Rahmen des Integrated Lifecycle Managements.
Die Anforderungen an das Facility Management gehen bei den Mietern von produktionsintensiven Immobilien weit über die Anforderungen an das Facility Management von Büroimmobilien hinaus. Welches sind Ihrer Meinung nach die zusätzlichen bzw. besonderen Leistungen des Facility Managements bei Chemie-/Industrieimmobilien im Vergleich zu klassischen Nutzungsarten?
AW: Chemie- und Industriestandorte müssen im Vergleich zu klassischen Assetklassen wie Büro-, Einzelhandels- oder Wohnimmobilien zusätzliche Anforderungen erfüllen. Abhängig von den am Standort ausgeübten Tätigkeiten ergeben sich spezifische Anforderungen an die jeweiligen Anlagen. Dazu gehören beispielsweise Anforderungen an die Entsorgung chemischer Abfälle oder die Einhaltung biologischer Schutzstufen. Facility Manager müssen das zugrunde liegende Geschäft, die damit verbundenen Prozesse und die Aktivitäten ihrer internen Kunden verstehen, unabhängig davon, ob es sich um interne Mitarbeiter, in-house Teams oder externe Dienstleister handelt. Diese Aktivitäten haben viele Schnittstellen zum Facility Management, wie z.B. die Nutzung und Überwachung von Infrastrukturanlagen. Innovative Lösungen können nur geschaffen werden, wenn die Bedürfnisse der Nutzer verstanden werden.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden die Anforderungen an die Dienstleistungen nicht nur für die "soft Services ", sondern auch für einige "hard services" von den Nutzern definiert. Im Allgemeinen verlangen Kunden das Vorjahresmodell, jedoch zu einem günstigeren Preis. Um zu verstehen, was in der Zukunft benötigt wird, ist es wichtig, die Kernprozesse der Nutzer zu verstehen und zu wissen, welche Bedürfnisse damit verbunden sind. Dann kann auf diese Bedürfnisse eingegangen werden. Das Ergebnis ist eine effizientere, flexiblere, anpassungsfähigere und nachhaltigere Nutzung des Raums. Leistungsstarke Facility Management-Teams - sowohl intern als auch extern - sind in der Lage, geeignete Dienstleistungen und optimale Ausführungskonzepte zur bestmöglichen Unterstützung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu identifizieren. So entsteht Innovation.
Welche Herausforderungen und Chancen – insbesondere unter Berücksichtigung der COVID-19 Pandemie – sehen Sie für das Integrated Lifecycle Management des Real Estate Portfolios von Corporates?
AW: Dies ist eher eine Frage des Anteils der von einem Mieter in Anspruch genommenen Fläche im Gebäude. Für Gemeinschaftsflächen oder die Gebäudehülle ist ein Mieter in einem Mixed-Use Gebäude nicht direkt verantwortlich. Dies wird vom Vermieter übernommen und über die Betriebskosten abgerechnet. Der Einfluss und die Kontrolle durch den Mieter sind daher begrenzt. Wenn ein Gebäude komplett an einen Mieter vermietet wird, ist dieser für alles verantwortlich, aber nicht über die Dauer des Mietverhältnisses hinaus. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass ein Integrated Lifecycle Management für gemietete Immobilien eher mit der temporären Nutzung einer Immobilie als mit der Strategie eines Unternehmens in Verbindung steht.
Zusammenfassend hat sich durch COVID-19 weder die Art der Verträge, die Unternehmen abgeschlossen haben, noch der Anteil von Eigenbesitz und Mieten am Immobilienportfolio geändert. Dies hängt vielmehr davon ab, ob es sich um ein Corporate im verarbeitenden Gewerbe handelt und ob Campusanlagen betrieben werden.
Herzlichen Dank für das Interview!
Bitte beachten Sie: Die obigen Antworten spiegeln eine breite Palette von Daten der Mitglieder des Swiss Corporate Real Estate Network wider. Diese Trends werden in den Bereichen F&B, Versicherungen, Biowissenschaften, Technologie und vielen weiteren Branchen beobachtet. Die Antworten sollten als repräsentativ für die Denkweise von Corporates als Mieter im Allgemeinen sowie für die Politik und Praxis des Facility Managements von Corporates betrachtet werden.
Kapitel 6
Swiss Corporate Real Estate Network
Rolle und Aufgabe des Swiss Corporate Real Estate Network.
Das Swiss Corporate Real Estate Network ist ein Peer-to-Peer-Netzwerk von internen Immobilienexperten aus Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Seit 2018 ist die Gruppe auf 70 Mitglieder aus 38 multinationalen Unternehmen angewachsen. Dazu gehört die Hälfte der 20 grössten Schweizer SMI-Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1.5 Billionen Franken. Diese Gemeinschaft wurde gegründet, um den Austausch, das Teilen von Wissen, das Lernen und die Zusammenarbeit in der Branche zu fördern. Durch den Austausch von Best Practices und Innovationen können wir die Qualität und Effektivität von Unternehmensimmobilien verbessern und so die Zukunft gestalten und das Arbeitsleben der Mitarbeiter verbessern.
Alex Wilkins
- Leiter des Swiss Corporate Real Estate Network
- Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (MRICS)
- PGDip, Stadtplanung von der Universität Sheffield
- PGDip, Immobilienmanagement von der London South Bank University
Alex Wilkins ist seit über 20 Jahren im Bereich CRE tätig. Er hat in Grossbritannien, Italien, Frankreich, Singapur und in der Schweiz gelebt und gearbeitet. Er ist Gründungsmitglied und Leiter des Swiss Corporate Real Estate Networks.
Bitte nehmen Sie mit Alex Wilkins Kontakt auf, wenn Sie als in-house CRE-Experte in der Schweiz tätig sind und dem Swiss Corporate Real Estate Network beitreten möchten.
Fazit
Immobilienportfolios international agierender Konzerne unterscheiden sich sowohl in der Funktionalität, der Anzahl und der geografischen Lage der gehaltenen Immobilien. Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage, die Entwicklung der CRE-Funktion hin zu einem Produktivitätsmotor und die Definition von Kennzahlen, die den Wertbeitrag der Immobilie wiederspiegeln, werden die Bestandteile zukünftiger CRE-Portfoliostrategien sein. Zukünftig werden die Verknüpfung mit der Corporate Identity und die Mitarbeiterbindung stärker in den Vordergrund rücken.
Danksagung
Wir danken Annabell Chantal Nachbaur für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Artikel.