Mit Integration und Automatisierung dem Gesellschaftswandel begegnen
Die Bevölkerungsstruktur hat einen grossen Einfluss auf Staaten und deren Bürgerinnen und Bürger – von Verschiebungen der wirtschaftlichen Macht über Versorgungsengpässe bis hin zur Veränderung gesellschaftlicher Normen. Während in Industrieländern oft tiefe Geburten- und sinkende Mortalitätsraten anzutreffen sind, ist die Bevölkerung in Entwicklungsländern vermehrt jung und wächst. In der Schweiz steigt der Anteil der älteren Personen durch eine tiefe Geburtenrate und eine höhere Lebenserwartung an. Der Anteil von Arbeitskräften an der Gesamtbevölkerung nimmt ab. Höhere Sozialausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege und damit eine stärkere finanzielle Belastung der Arbeitnehmenden sind die Folge. Zusätzlich wird das anhaltende Bevölkerungswachstum von anderen Ländern zu mehr Migrationsbewegungen in die Schweiz führen.
In Zukunft müssen in der Schweiz weniger Arbeitskräfte mehr Menschen über dem 65. Lebensjahr unterstützen..
Findet die öffentliche Verwaltung Wege, die Migrantinnen und Migranten optimal in den Arbeitsmarkt zu integrieren, könnte damit – zumindest teilweise – dem Mangel an Arbeitskräften entgegengewirkt werden. Auch die zunehmende Automatisierung des Arbeitsmarkts ist dafür ein möglicher Lösungsansatz. Künstliche Intelligenz und Roboter werden zunehmend leistungsfähiger. Insbesondere Arbeitsbereiche, die durch die Überalterung stärker gefordert sind, etwa die Pflege, hoffen davon vermehrt profitieren zu können.
Kreislaufwirtschaft reduziert Abfall und Abhängigkeiten
Eine konstant steigende Weltbevölkerung und zunehmender Wohlstand treiben auch die Emissionen und damit den Klimawandel voran. Um den steigenden Bedarf an Energie nachhaltig zu decken, müssen die Kapazitäten erneuerbarer Energiequellen erhöht und ihre Effizienz gesteigert werden – insbesondere mit Blick auf die aktuelle geopolitische Situation. Die Energiekrise verschärft die Thematik zusätzlich. Mit der Energiestrategie 2050 des Bundesamtes für Energie soll zum einen der Verbrauch gesenkt, zum anderen der Anteil an erneuerbarer Energie erhöht werden. Um diese wettbewerbsfähig zu machen, werden sie durch staatliche Massnahmen gefördert.
Neben der Wasserkraft haben auch neue erneuerbare Energien wie Solarenergie, Holz, Biomasse, Windenergie, Geothermie und Umgebungswärme einen wachsenden Anteil an der Energieversorgung der Schweiz.
Wind- und Solarenergie sind die wichtigsten erneuerbaren Energiequellen der Zukunft. Für die Herstellung von Batterien, Solarpanels oder Windturbinen werden Seltene Erden benötigt. Um nicht in eine zu starke Abhängigkeit von diesen seltenen Ressourcen zu geraten, ist eine Abkehr vom primär vorherrschenden, linearen Wirtschaftssystem hin zu einer Kreislaufwirtschaft unabdingbar. Die Kreislaufwirtschaft ist auch gut für das Klima: Wenn Rohstoffe und Güter recycelt statt weggeworfen und gezielt in der Produktion eingesetzt würden, könnten viele Emissionen eingespart werden.
In der Ökologisierung der Privatwirtschaft spielt der öffentliche Sektor eine entscheidende Rolle. Das regulatorische Umfeld sollte so gestaltet werden, dass es privatwirtschaftliche Bemühungen unterstützt und optimalerweise als eine Art Katalysator antreibt. Konkret heisst das, Finanzierungen und Infrastruktur müssen von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, beispielsweise für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft. Auch soll umweltfreundliches Handeln belohnt werden. Dafür müssen Anreize geschafft und sämtliche Verwaltungsebenen miteinbezogen werden.
Innovationsstandort Schweiz stärken
Während im Westen das Wirtschaftswachstum seit Jahren tendenziell auf tiefer Stufe stagniert, erlebten Länder wie Indien, China oder Nigeria in den letzten Jahren ein anhaltend hohes Wachstum, welches durch die Pandemie jedoch gedrosselt wurde. Eine Neuausrichtung der globalen Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit sind die Folge. Diese wandelt Wachstumsländer von Zentren der Arbeit und Produktion zu konsumorientierten Volkswirtschaften um. Im Zuge ihrer Transformation zu Exporteuren von Kapital, Talent und Innovation wird die Richtung der Kapitalströme angepasst. Zudem flammen protektionistische Tendenzen auf, etwa neue Zölle oder regionale Freihandelszonen, und die Regionalisierung der Wirtschaft und die Blockbildung intensivieren sich. Der Krieg in der Ukraine verstärkt diesen Wandel zusätzlich.
Schweizerinnen und Schweizer profitieren laut einer Berechnung von der Bertelsmann Stiftung durchschnittlich mehr als EU-Bürgerinnen und Bürger vom Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Um die Wirtschaftsleistung der Schweiz zu wahren, muss der Bund kurzfristig die Energieversorgung sicherstellen und langfristig die Unternehmen dazu bringen, sektorübergreifend robuste und krisenfeste Lieferketten zu etablieren. Indem er das Beschaffungswesen anpasst, beispielsweise mit einem verstärkten Fokus auf das Risikomanagement des Anbieters, kann der Bund die Versorgungssicherheit zusätzlich erhöhen. Zudem bleibt Schweizer Forschungsinstituten durch den Ausschluss aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe der Zugang zu Forschungsgeldern und -netzwerken verwehrt. Die Anziehungskraft und Innovationsfähigkeit des Standorts Schweiz könnten dadurch in Zukunft sinken.
Technologische Innovationskraft bringt Wohlstand
Die Entwicklung neuer Technologien ist ein wichtiger Bestandteil der Innovationsfähigkeit. Während sie uns bislang bei der Ausführung von Aufgaben eher passiv unterstützt haben, sollen sie künftig eine aktive Rolle übernehmen und direkt und mit uns zusammenarbeiten. Viele dieser bahnbrechenden Technologien – dazu zählen etwa die künstliche Intelligenz, Augmented und Virtual Reality oder eine neue Generation von Robotern und Drohnen – existieren bereits, sind aber noch nicht in unserem Alltag angekommen. Dafür braucht es erhebliche Investitionen in die dafür erforderliche Infrastruktur wie beispielsweise 5G, Präzisionssensoren, Batterien oder Quantum Computer.
Nationen, welche im technologischen Wettkampf die Oberhand haben, gewinnen erhebliche wirtschaftliche Vorteile und politische Macht.
Zwar nimmt die Schweiz beim globalen Innovationsindex einen Spitzenplatz ein, gleichzeitig bestehen im öffentlichen Sektor aber noch oft Berührungsängste gegenüber neuen Technologien. Die Schaffung notwendiger Strukturen kann sich dadurch verzögern. Die verwaltungsinternen Strukturen, welche die Digitalisierung und Technologisierung fördern, sind heute häufig fragmentiert. Dadurch verlieren sie an Effizienz und Effektivität.
Damit die Schweiz hinsichtlich Innovationen führend bleibt, müssen Technologie-, Wissenschafts- und Industriepolitik gestärkt und aufeinander abgestimmt und die Zusammenarbeit zwischen Privatsektor und öffentlicher Hand gefördert werden. Es gilt die Digitalkompetenz der breiten Bevölkerung zu fördern und die Daten des öffentlichen Sektors zu sozialen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteilen zu nutzen. Dies gelingt jedoch nur mit dem Vertrauen der Schweizer Bevölkerung, dass persönliche Daten im Rahmen unseres demokratischen Rechtssystems und zum persönlichen Vorteil der einzelnen Person verwendet werden.
Agil und schnell auf Veränderungen im politischen Verhalten reagieren
Laut dem Demokratie-Index der Economic Intelligence Unit gehen die Demokratien weltweit zurück. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen – nicht nur auf die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Länder, sondern auch auf das internationale System. In Autokratien ist die Wahrscheinlichkeit für kriegerische Auseinandersetzungen und damit einhergehende Störungen des internationalen Handels und Flüchtlingsströme höher. Ebenfalls problematisch zeigt sich das Erstarken nationalistischer Tendenzen. Sie destabilisieren die internationale Sicherheitslage und erschweren die internationale Kooperation; nationalistische Staaten sind primär auf den eigenen Vorteil bedacht. Viele globale Herausforderungen wie der Klimawandel oder die Covid-19-Pandemie bedingen aber ein grosses Mass an internationaler Zusammenarbeit. Die Schweiz könnte daher in Zukunft vermehrt als Brückenbauerin gefordert sein.
Demokratie-Index
nur 6.4%der Weltbevölkerung lebt in einer vollständigen Demokratie.
Die in den Augen mancher ungenügende Umsetzung bereits angenommener Volksentscheide sowie die Politisierung vieler Bürgerinnen und Bürger während der Pandemie bringen in der Schweiz ein gewisses Misstrauen in den Staat hervor. Diese Unsicherheiten müssen vom öffentlichen Sektor für verwaltungsinterne Abläufe berücksichtigt und miteinbezogen werden. Mit der Ausarbeitung von Alternativen kann die Verwaltung schnell und flexibel auf Veränderungen in der politischen Landschaft reagieren. Die Anpassung der Organisationsstruktur, beispielsweise über die Einbindung agiler Elemente, kann Disruptionen aufgrund äusserer Faktoren und Megatrends abfangen. Ein spezielles Augenmerk gilt ausserdem der Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsebenen. Der Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip haben historisch massgeblich zum Erfolg der Schweiz beigetragen. Die Aufgabenteilung kann jedoch auch zu Ineffizienzen führen, etwa die Digitalisierung der Verwaltung verlangsamen oder schwerfällig machen.
Fazit
Der öffentliche Sektor kann mit dem immer schnelleren Wandel mithalten, indem er die Herausforderungen der Megatrends erkennt und deren Chancen nutzt. Dem gesellschaftlichen Wandel kann er mit Automatisierung und optimaler Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt begegnen. Mit Blick auf den Klimawandel müssen Emissionen reduziert werden und erneuerbare Energiequellen verstärkt werden und eine Kreislaufwirtschaft angestrebt werden. Gleichzeitig muss die Schweiz ihren Stellenwert als Innovationsstandort sichern. Investitionen in Infrastruktur und Technologie müssen dafür zur Verfügung gestellt und Barrieren von verwaltungsinternen Strukturen abgebaut werden. Je agiler und flexibler diese sind, desto besser kann der öffentliche Sektor auf Veränderungen im politischen Verhalten reagieren.
Anmerkungen
Wir bedanken uns bei Lara Saxer, Philipp Stettler und Sebastian Torkisz für ihre wertvollen Beiträge zu diesem Artikel.